# taz.de -- Kommentar Bundespräsidenten-Rede: Lauwarme Rede, richtige Idee | |
> Die Erkenntnis, dass Deutschland viel weiter ist, als es die | |
> Sarrazin-Debatte vermuten lässt, ist kein intellektuelles Glanzlicht. | |
> Aber es ist nötig, dies zu sagen. | |
Wichtige Reden von wichtigen Repräsentanten zu wichtigen Anlässen sind | |
selten intellektuelle Feuerwerke. Stets muss der Konsens beachtet, die | |
Balance gewahrt werden. Das Wohltemperierte, ja Langweilige gehört zu | |
diesem Genre. Um als gelungen zu gelten, muss die Rede gleichwohl eine | |
eigene Handschrift haben. | |
Unter dieser Maßgabe war Christians Wulffs Rede zur deutschen Einheit - | |
gelungen. Lauwarm, aber in Nuancen deutlich. Im Rückblick auf 1990 | |
verkleinerte Christdemokrat Wulff Helmut Kohl zu einer Figur unter vielen. | |
Dafür rückten die Verlusterfahrungen der Ostdeutschen in den Blick. Bloß | |
kein Triumphalismus, dafür ein weiter, verständiger Blick, so das Motto. | |
Auch die linksliberale Skepsis der Nation gegenüber 1989 erschien hier | |
verständlich. Auf Nachsiegen wurde erfreulicherweise verzichtet. Mag sein, | |
dass solche Großmut beim Thema Vereinigung billiger zu haben ist. Man | |
schaut nach 20 Jahren ja vom glücklichen Ende auf das Vergangene. | |
Beim Thema Integration, das Wulff zum Markenkern seiner Präsidentschaft | |
machen will, liegen die Dinge ähnlich. Die Richtung der Rede stimmt, | |
jedenfalls ungefähr. Die Erkenntnis, dass Deutschland viel weiter ist, als | |
es die Sarrazin-Debatte vermuten lässt, ist kein intellektuelles | |
Glanzlicht. | |
Aber es ist nötig, dies zu sagen, gerade von konservativer Seite aus. Von | |
Wulff ist kein hemdsärmeliges Politikbashing à la Horst Köhler zu erwarten. | |
Das ist, beim Thema Migration, durchaus beruhigend. | |
Manches würde man allerdings gerne genauer wissen. Etwa wo bei | |
Integationsdebatten die Grenze zwischen Rassistischem und Erlaubtem | |
verläuft. Das ist ungesichertes Terrain. Wenn Wulff Migration als Thema | |
ernst nimmt, wird er es nicht bei vagen Andeutungen belassen können. | |
3 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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