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# taz.de -- Erhöhte pH-Werte nach Havarie: Ökoalarm an der Donau
> Nach der schweren Havarie in West-Ungarn erreicht die Giftbrühe die
> Donau. Auch das Grundwasser ist gefährdet.
Bild: Die Bemühungen, das Gift durch Gips und verschiedene Chemikalien zu bind…
Die Giftbrühe hat die Donau erreicht. Was Umweltschützer und ungarische
Behörden befürchtet hatten, traf Donnerstagvormittag ein. Dort, wo die Raab
bei Györ in die Donau mündet, wurden erhöhte pH-Werte gemessen. Vertreter
der ungarischen Wasserbehörde sehen das Ökosystem des zweitgrößten Flusses
Europas gefährdet.
Der normale pH-Wert der Donau liegt nach Angaben von Fachleuten bei acht.
József Tóth von der Wasserbehörde meldete jetzt Messungen zwischen 8,96 und
9,07. "Der rote Schlamm hat in der Früh den sogenannten Mosoni-Arm der
Donau erreicht, rund zehn Kilometer vom Hauptarm des Flusses entfernt",
bestätigte der örtliche Leiter des Katastrophenschutzes, Tibor Dobson.
Die Lauge aus dem Giftschlamm, der Montag mehrere Dörfer in Westungarn
verwüstet hatte, hat schon in den Flüsschen Marcal und Torna alles Leben
abgetötet. Alle Bemühungen, das Gift durch Gips und verschiedene
Chemikalien zu binden, waren nur begrenzt erfolgreich. Die Lauge sei aber
vor der Einmündung in die Raab so weit verdünnt worden, dass sie kaum noch
gefährlich sei, wie die ungarische Nachrichtenagentur MTI unter Berufung
auf den Katastrophenschutz beruhigte. Gefährdet ist hingegen das
Grundwasser in drei Bezirken, weil es dort stark geregnet hat. Nur wenn der
Boden komplett abgetragen würde, könnten die eingedrungenen Schwermetalle
entfernt werden. Andreas Beckmann, Leiter des WWF-Donau-Karpaten-Büros,
warnte vor unabsehbaren gesundheitlichen Langzeitfolgen: "Die Luft ist
vergiftet, und in den Häusern stehen die Menschen bis zur Hüfte im
Schlamm".
Ökologisch tot ist auch eine Fläche von 100 bis 200 Quadratkilometer. Die
weitere Verbreitung der im Rotschlamm enthaltenen Schwermetalle über den
Staub wird befürchtet. Ungarns Innenminister Sándor Pintér gab sich am
Donnerstag aber optimistisch: "Wir hoffen, dass wir das eindämmen können".
Die Wände des Staubeckens der Aluminiumhütte bei Kolontár, aus denen sich
eine Million Kubikmeter toxischen Schlamms über die Dörfer ergossen hatte,
werden von Rettungsmannschaften abgedichtet. Das Management der Firma MAL
gibt sich weiterhin uneinsichtig. Es will am Wochenende den auf Befehl der
Regierung eingestellten Betrieb wieder aufnehmen. In einer Presseerklärung
bekräftigte man die Versicherung, alle EU-Standards eingehalten zu haben.
Gemäß EU-Richtlinien sei der Rotschlamm nicht als umweltbedenklich
einzustufen. Dass Menschen durch den Schlamm getötet und schwer verätzt
wurden, sei nicht erklärbar, so der Konzern.
Während die Konzernleitung weiterhin von einer "Naturkatastrophe" spricht,
gibt es für Premier Viktor Orbán keinen Zweifel, dass das ökologische
Desaster auf menschliches Versagen zurückzuführen sei. Bei einem Besuch der
betroffenen Dörfer versprach er den Obdachlosen eine baldige Lösung. Vom
verantwortlichen Konzern erwartet er offenbar wenig. Deswegen appellierte
er an reiche Exilungarn, in einen Fonds zur Entschädigung der Opfer
einzuzahlen.
Mehrere Versicherungsunternehmen, darunter die Großkonzerne Aegon und
Allianz haben betroffenen Einwohnern der überschwemmten Ortschaften
unbürokratische Soforthilfen in Aussicht gestellt. Mit sofortigen
kostenlosen Begutachtungen wird etwa erreicht, dass die Aufräumarbeiten
umstandslos beginnen können, ohne dass die Betroffenen spätere Minderungen
bei der Schadensbegleichung riskieren. Dass die meisten allerdings gar
nicht in ihre Häuser zurückwollen, wurde bei einer Bürgerversammlung klar.
Ein Bauer sprach aus, was offenbar die meisten empfinden: "Unsere Orte sind
totes Land, die Tiere tot, Landwirtschaft auch in der kommenden Generation
nicht möglich. Jeder sollte versuchen, zu verschwinden".
7 Oct 2010
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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