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# taz.de -- Giftschlammlawine überflutet Kleinstadt: Umwelt-Katastrophe in Ung…
> Vier Tote, viele Vermisste: In Ungarn ist schwach radioaktiver, roter
> Gilftschlamm aus dem Staubecken einer Aluminiumhütte ausgetreten und hat
> ein Dorf überflutet.
Bild: Verwüstete Stadt nach der Giftschlammlawine.
WIEN taz | Eine Million Tonnen giftigen Schlamms verwüsteten am Montag die
westungarische Kleinstadt Kolontár und ein angrenzendes Dorf im Komitat
Veszprém. Mindestens vier Menschen fielen dem bisher größten Chemieunfall
des Landes zum Opfer, darunter ein drei Monate alter Säugling.
Vier, nach anderen Angaben sechs Menschen galten Dienstagnachmittag noch
als vermisst. Mehrere Dutzend Einwohner wurden mit Verätzungen oder anderen
Verletzungen in die Krankenhäuser eingeliefert. In drei Komitaten wurde der
Notstand ausgerufen, während Helfer versuchten, den ätzenden roten Schlamm
mit Gips zu binden.
Der Schlamm, ein Abfallprodukt bei der Aluminiumgewinnung, schoss Montag um
die Mittagszeit aus einem Staubecken auf dem Gelände der Aluminiumhütte des
international verflochtenen ungarischen Konzerns MAL AG. Das Becken war
teilweise nur durch einen Erdwall gesichert. Um die 250 Häuser in Kolontár
und der benachbarten Ortschaft Devecser, etwa 35 Kilometer nördlich des
Plattensees, wurden von dem zähflüssigen Giftschlamm überflutet.
Die Wucht der roten Flut riss Zäune nieder, schwemmte Autos davon und drang
in die Häuser ein. Zur Evakuierung von mehr als 300 Menschen mussten
Traktoren und schwere Baumaschinen eingesetzt werden. Andere Fahrzeuge
konnten nicht mehr verkehren. Ohne Gummistiefel und Atemschutzmasken kann
niemand das Katastrophengebiet betreten.
Wie die deutschsprachige Zeitung Pester Lloyd berichtet, qualifizierte
Umweltstaatssekretär Zoltán Illés das Unglück Dienstagvormittag bei einem
Ortstermin als "ökologische Katastrophe". Ein Gebiet von rund 40
Quadratkilometern wurde verseucht. Gefährdet seien auch die Raab samt
kleineren Nebenflüssen, weil das seit Tagen herrschende Hochwasser die
Verbreitung der toxischen Abfälle begünstigt. Selbst die Donau ist von
Kontaminierung bedroht.
Über die exakte Zusammensetzung des Giftschlamms herrscht noch Unklarheit.
Das Umweltamt sprach von "schwachradioaktiven und krebserregenden Stoffen".
Die Behörden erhoffen sich Ratschlag von Wissenschaftlern auf Korsika, das
vor einigen Jahren von einer ähnlichen Katastrophe heimgesucht wurde.
Die Armee, die erst am Dienstag auf den Plan trat, setzte Helikopter ein,
um "neutralisierende" Flüssigkeiten zu versprühen. Gleichzeitig versuchten
Soldaten, die geborstenen Dämme provisorisch mit Zement abzudichten.
Das Betreiberunternehmen Magyar Alumínium Termelö és Kereskedelmi Rt.
hüllte sich zunächst in Schweigen. Erst nach 24 Stunden stellte das
Management auf seiner Website sein "tiefstes Bedauern" online und
versicherte Opfer wie Hinterbliebene seines Beileids. Den Unfall stellten
die Bosse als "Naturkatastrophe" dar, die im Übrigen gar nicht so schlimm
sei.
Schließlich würden Luftaufnahmen zeigen, dass mehr als 95 Prozent des
Rotschlamms im Becken verblieben seien. Der aus 45 Prozent Eisenoxid,
Aluminiumoxid, Siliziumoxid, Calciumoxid, Titanoxid und Soda bestehende
Schlamm gelte "laut EU-Norm nicht als gefährlicher Abfall". Die Schuldfrage
werde von Experten geklärt.
Für Umweltstaatssekretär Zoltán Illés ist es gar keine Frage, dass allein
das Unternehmen für sämtliche Kosten der Schadensbeseitigung einstehen
muss. Neben den Einsatzkosten der Rettungskräfte und der Versorgung der
Verletzten betrifft das auch die Reinigung und Reparatur in den
überfluteten Orten, das Abtragen der vergifteten Erde, die Reinigung der
Gewässer und des Grundwassers sowie alle Kosten für Renaturierung und
Aufforstung. Staatssekretär Illés warnte die Unternehmer, sich durch eine
Insolvenz aus der Verantwortung zu stehlen.
5 Oct 2010
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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