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# taz.de -- Reaktionen auf Friedensnobelpreis in China: „Das macht allen Mut�…
> Trotz Zensurbemühungen weiß in China jeder, dass der Dissident Liu Xiaobo
> den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die Reaktionen: Glückwünsche,
> Karikaturen und Partys.
Bild: Fühlen sich in ihrem Kampf um die Menschenrechte bestärkt: Unterstütze…
PEKING taz/afp | Dicker Smog liegt an diesem Oktobersamstag über Peking,
aber Buchhändler Li steht vor seinem Geschäft in der Innenstadt und schaut,
als sei gerade die Sonne aufgegangen. „Das ist ein guter Tag für China“,
kommentiert er die Nachricht, dass der inhaftierte Bürgerrechtler Liu
Xiaobo in diesem Jahr den Friedensnobelpreis erhält. „Das macht allen Mut,
die daran glauben, dass die Menschenrechte für alle gleichermaßen gelten.“
Mit feiner Ironie fügt er hinzu: „Denken Sie nur: Wie lange schon hatten
wir Chinesen uns nach einem Nobelpreis gesehnt, und nun haben wir gleich
den wichtigsten und besten von allen bekommen – dank der hervorragenden
Arbeit unserer Regierung!“
Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees aus Oslo hat sich wie ein Lauffeuer
verbreitet – trotz aller Zensurbemühungen der Behörden, und obwohl die
staatlich kontrollierten Medien sie weitgehend verschwiegen.
Englischsprachigen Zeitungen wie die Global Times, die ebenfalls staatlich
kontrolliert sind und sich überwiegend an ein ausländisches Publikum
richten, durften das Thema aufgreifen. Sie werfen dem Nobelpreis-Komitee
vor, China-feindlich zu sein.
In der Hauptstadt und andernorts treffen sich spontan kleine Freundeskreise
zur Party. Eine der Feiern in einem Pekinger Restaurant wurde am
Freitagabend von Polizisten aufgelöst.
Im Internet und auf Mikro-Blogs kursieren Glückwünsche und Karikaturen wie
die Medaille hinter Gitterstäben – ohne Worte. Manche Kommentare sind
witzig wie die Bemerkung des Buchhändlers Li, der in seiner Jugend in den
fünfziger und sechziger Jahren wie Hunderttausende seiner Landsleute als
politischer Häftling eingesperrt war.
In die Freude über den Preis für den 54-jährigen Liu Xiaobo mischte sich am
Samstag die Sorge um seine Frau Liu Xia. Am Freitagabend hatte sie am
Telefon gesagt, sich in Begleitung von Polizisten zu befinden, die sie zum
Gefängnis Jinzhou in der nordostchinesischen Provinz Liaoning bringen
würden. Anschließend war die Frau des Dissidenten nicht mehr erreichbar,
Menschenrechtler äußerten sich besorgt über ihre Sicherheit.
Nun hat sich Liu Xiaobo offenbar im Gefängnis mit seiner Ehefrau getroffen.
Das teilte die in Hongkong ansässige Organisation Informationszentrum für
Menschenrechte und Demokratie unter Berufung auf Familienangehörige mit.
Möglicherweise konnte Liu Xia dabei ihren Ehemann über die Auszeichnung
informieren.
Liu war Weihnachten 2009 als Mitautor des Reformappells „Charta 08“ zu elf
Jahren Gefängnis verurteilt worden und im Juni dieses Jahres plötzlich aus
seinem Pekinger Gefängnis in die Nordostprovinz verlegt worden. Präzise
Informationen darüber, wie viele politischer Häftlinge es in China gibt,
sind nicht zu erhalten, da die Regierung Daten als „Staatsgeheimnis“
betrachtet.
Experten wie Nicholas Bequelin von der Organisation Human Rights Watch in
Hongkong schätzen, dass es „Tausende“ sind: „Jedes Jahr werden zwischen …
und 800 Chinesen wegen ‚Staatssicherheitsdelikten‘ angeklagt. Ein großer
Teil davon wird (wie Liu Xiaobo) der ‚Anstiftung zur Untergrabung des
Staatssicherheit‘ beschuldigt, andere der ‚Anstiftung zum Separatismus.‘�…
Dazu kommen noch jene Gefangenen, die wegen ihres Glaubens (zum Beispiel
der Zugehörigkeit zur Falungong-Bewegung) inhaftiert sind, weiterhin
wahrscheinlich eine sehr große Zahl von Tibetern und Uiguren, die nach den
Unruhen von 2008 und 2009 inhaftiert wurden.
Aber das sind nur jene, die formal verurteilt wurden. Wegen politischer
oder religiöser Gründe sitzen außerdem etwa fünf bis acht Prozent der
insgesamt rund 250.000 Chinesen in den sogenannten Umerziehungslagern ein,
schätzen Menschenrechtsorganisationen. Die Haft in solchen Lagern wird von
der Polizei ohne Gerichtsverhandlung angeordnet.
Wer seine Strafe abgebüßt hat, läuft Gefahr, unter Hausarrest gestellt und
schikaniert zu werden – ganz der Willkür der örtlichen Behörden
ausgeliefert. So ergeht es zum Beispiel derzeit dem blinden Anwalt Chen
Guangcheng. Er ist im In- und Ausland bekannt geworden, nachdem er gegen
massenhafte Zwangsabtreibungen, zum Teil zum Ende der Schwangerschaft, und
Zwangssterilisierungen bei mindestens 7.000 Frauen in seiner Heimat in
Ostchina protestiert hatte.
Er war 2006 unter der offenkundig vorgeschobenen Anklage der „Aufwiegelung
eines Mobs zur Störung der öffentlichen Ordnung“ zu vier Jahren und drei
Monaten Haft verurteilt worden. Seit seiner Freilassung am 9. September
wird er von gedungenen Schlägern, die sein Haus Tag und Nacht belagern,
daran gehindert, aus der Tür zu gehen, einzukaufen oder einen Arzt
aufzusuchen, berichten Anwälte. Die Polizei weigere sich, ihm zu helfen.
10 Oct 2010
## AUTOREN
Jutta Lietsch
Jutta Lietsch
## TAGS
Friedensnobelpreis
Liu Xiaobo
China
Menschenrechte
China
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