| # taz.de -- Förderung von Jungs: Neue Männerpolitik braucht das Land | |
| > Lange hatte Gleichstellungspolitik vor allem Frauen im Blick. Nun will | |
| > Schwarz-Gelb auch Jungen und Männer gezielt fördern. | |
| Bild: Erklärtes FDP-Ziel: Mehr Männer in die Kitas. | |
| Mehr Programme für lernschwache und migrantische Jungs, Schulen, die auch | |
| Jungen Spaß machen, mehr Männer in Kitas und mehr Männer als | |
| Gleichstellungsbeauftragte. So lautet, salopp zusammengefasst, ein Antrag, | |
| den FDP- und Unionsfraktion demnächst in den Bundestag einbringen wollen | |
| und der der taz vorliegt. | |
| "Eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik ist seit langem ein Anliegen | |
| von mir. Die gibt es bislang nicht. Aus Studien wissen wir aber, dass sie | |
| notwendig ist", sagt Miriam Gruß, frauenpolitische Sprecherin der | |
| FDP-Fraktion, der taz. Sie hat den Antrag maßgeblich erarbeitet und im | |
| vergangenen Herbst mit dafür gesorgt, dass eine Jungen- und Männerpolitik | |
| im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. | |
| Der verstärkte Fokus auf Jungen und Männer auf der parlamentarischen Ebene | |
| ist neu. Bislang hat es im Bundestag lediglich zwei solcher Anträge | |
| gegeben: 2004 von der CDU und 2008 von der FDP. Woher kommt das plötzliche | |
| Interesse von Schwarz-Gelb an der Jungenförderung? | |
| "Das hat eher mit ökonomischen Interessen zu tun als mit einem | |
| Gleichstellungsgedanken", kommentiert Männerforscher Thomas Gesterkamp den | |
| Vorstoß: "Die auf den Mittelstand orientierte FDP fürchtet den | |
| Fachkräftemangel in der Wirtschaft." | |
| Fakt ist: Mädchen haben die besseren Schulabschlüsse und beginnen öfter als | |
| Jungen ein Studium. 2008 hatten laut Statistischem Bundesamt über 38 | |
| Prozent der 18- bis 26-jährigen Frauen die Hochschulreife und nur 31 | |
| Prozent der gleichaltrigen Männer. Es gab mehr Männer mit Hauptschul- und | |
| mehr Männer ohne Abschluss. | |
| "Wir haben sehr lange unser Augenmerk auf die Förderung von Mädchen gelegt. | |
| Das war richtig, wenn man sich die Entwicklung in der Bildung anschaut", | |
| sagt Miriam Gruß. "Aber jetzt brauchen wir eine moderne | |
| Gleichstellungspolitik, die beiden Geschlechtern gerecht wird." Darunter | |
| verstehen FDP und Union unter anderem, dass mehr Männer in pädagogischen | |
| Berufen arbeiten. Damit liegen die Parteien im Trend: Einer Studie zufolge | |
| wollen zwei Drittel der Eltern und rund drei Viertel der ErzieherInnen und | |
| Kita-LeiterInnen, dass es mehr männliche Erzieher in Krippen und | |
| Kindergärten gibt. | |
| Derzeit sind nur 2,4 Prozent der ErzieherInnen in Kitas männlich. Warum? | |
| Weil sie in dem klassischen Frauenberuf weniger verdienen als in anderen | |
| Bereichen. Und weil er als "unmännlich" gilt. Wie dieser Zwiespalt | |
| aufgelöst werden könnte, sagt das Papier nicht. | |
| Zwar bemängelt dies auch der Männerforscher Walter Hollstein. Es fehle eine | |
| Vorstellung davon, wie ein neues Männerbild aussehen könnte, kritisiert der | |
| ehemalige Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung | |
| der Uni Bremen. Doch überwögen die Vorteile des Gesetzentwurfs: Zum ersten | |
| Mal werde deutlich hervorgehoben, "dass die Gleichstellungsproblematik | |
| nicht nur die Frauen einbeziehen darf, sondern auch die Männer einbeziehen | |
| muss". Als "revolutionär" bezeichnet Hollstein die Forderung, die | |
| Lebenslagen von Männern und Jungen genauer zu erforschen. "Vielleicht | |
| bewirkt sie auch, dass neben den rund 250 Professuren für Frauen- und | |
| Genderforschung im deutschsprachigen Bereich nun wenigstens der eine oder | |
| andere Schwerpunkt für Männerforschung an den Hochschulen eingerichtet | |
| wird." | |
| Die Opposition hält sich in Sachen Jungen- und Männerpolitik derzeit | |
| zurück. Die Grünen, die im Frühjahr das parteiinterne Männermanifest "Nicht | |
| länger Machos sein müssen" verabschiedet hatten, betrachten die aktuelle | |
| Debatte kritisch. Prinzipiell sei es richtig, "männliche Perspektiven | |
| einzubeziehen", sagt Monika Lazar, frauenpolitische Sprecherin der | |
| Grünen-Bundestagsfraktion: "Eine überproportionale Förderung von Jungs und | |
| Männern bei gleichbleibendem Etat birgt aber die Gefahr, dass künftig | |
| weniger Geld für Mädchen und Frauen zur Verfügung steht." | |
| 12 Oct 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
| Matthias Lohre | |
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