# taz.de -- Embryo-Untersuchung auf Erbkrankheiten: Streit über die Fortpflanz… | |
> Die FDP will den Embryonenschutz liberalisieren und Gentests zulassen. | |
> Die CDU will das nicht und fordert ein Moratorium. Unterstützung bekommt | |
> sie von Rot-Grün. | |
Bild: Auch ungeborenes Leben ist zu schützen, wie, darüber streiten derzeit d… | |
Die schwarz-gelbe Koalition steht vor einer Zerreißprobe. Es geht um eine | |
mögliche Neuregelung des Embryonenschutzes: Mit ihrer Forderung nach einer | |
weitgehenden Liberalisierung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik | |
(PID) hat die FDP ihre Koalitionspartnerin CDU zu Wochenanfang erheblich | |
irritiert. | |
Denn im Grundsatzprogramm der CDU ist das Verbot von Gentests an Embryos | |
bei künstlicher Befruchtung festgeschrieben. Jetzt düpiert die CDU zurück: | |
Statt einer schnellen gesetzlichen Neuregelung müsse es "ein Moratorium für | |
PID" geben, sagte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der | |
CDU-Bundestagsfraktion. | |
"Bis wir Rechtssicherheit geschaffen haben, muss die PID verboten sein", so | |
Spahn. "Ich fände es gut, wenn wir in dieser Frage zu einer Gemeinsamkeit | |
kämen in der Koalition", drohte Johannes Singhammer, Vize-Fraktionschef der | |
CDU/CSU, Richtung FDP. Andernfalls müsse "jeder Abgeordnete nach seinem | |
Gewissen entscheiden". | |
Das Pikante: Ihre Forderung nach der gesetzlichen Festschreibung eines | |
Moratoriums könnte die Union auch ohne die FDP durchsetzen - im Bundestag | |
stehen andere Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung. "Klar könnte man ein | |
solches Moratorium mittragen", sagte die stellvertretende | |
SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner: "Es geht hier um eine ethische | |
Debatte, die Zeit braucht und nicht an Fraktionszwänge gebunden sein darf." | |
Unterstützung für eine Kooperation mit der CDU kommt auch von den Grünen: | |
Priska Hinz, Sprecherin für Biotechnologie, und Biggi Bender, | |
gesundheitspolitische Sprecherin, forderten "ein zweijähriges Moratorium, | |
und jeder, der das auch so sieht, ist herzlich eingeladen, das zusammen mit | |
uns durchzusetzen". | |
Dieses zeitlich befristete Verbot könne im Embryonenschutzgesetz | |
festgeschrieben werden. Vorstellbar sei auch, dass die Bundesärztekammer | |
mit einer eigenen Richtlinie den Ärzten PID vorübergehend verbiete. Die | |
Kammer zeigt sich offen: "Ich kann mir ein Moratorium vorstellen", sagte | |
Hermann Hepp, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat. "Aber nur unter der | |
Bedingung, dass sich der Gesetzgeber unter Angabe eines konkreten | |
Zeitrahmens verpflichtet, im Sinne eines weiterreichenden | |
Fortpflanzungsmedizingesetzes tätig zu werden", sagte Hepp. Auch die Grünen | |
machen Druck: "Wenn wir PID jetzt nicht verbieten, dann wird es in ein paar | |
Jahren schwierig sein, die dann vermutlich gängige Praxis in den | |
Kinderwunschkliniken rückgängig zu machen", sagte Hinz. | |
Auslöser für die neuerliche Diskussion über den Embryonenschutz ist ein | |
Urteil des Bundesgerichtshofs. Seit Jahren gibt es, quer durch alle | |
Fraktionen, Forderungen nach einem Fortpflanzungsmedizingesetz, das über | |
das Embryonenschutzgesetz von 1990 hinausgehen soll. Die Lebenswirklichkeit | |
vieler Paare und die Technologie haben sich seitdem stark weiterentwickelt. | |
Neben der PID geht es um die Frage der bislang in Deutschland verbotenen | |
Eizellspende, die Forderung nach einem "Single-Embryo-Transfer" bei | |
künstlichen Befruchtungen sowie Qualitätsstandards bei Letzterem. Bisher | |
scheiterten alle interfraktionellen Gesetzgebungsversuche am inhaltlichen | |
Streit. "Das Parlament muss tätig werden", sagt der SPD-Abgeordnete René | |
Röspel, bis 2005 Vorsitzender der Enquête-Kommission Ethik und Recht der | |
modernen Medizin. "Wenn wir die Dinge gesetzlich ungeregelt lassen oder | |
ihre Klärung Gerichten überlassen, führt das zum Dammbruch." | |
Für ein Fortpflanzungsmedizingesetz spricht sich auch der Bundesverband | |
Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands aus. "Wir brauchen | |
Rechtssicherheit", sagt der Vorsitzende Ulrich Hilland. Von "Selektion" von | |
Embryonen oder einem drohenden inflationären Gebrauch der PID könne keine | |
Rede sein, lediglich 200 Paare würden nach seiner Schätzung im Jahr von der | |
PID Gebrauch machen. Wenn sie möglich wäre. | |
14 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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