# taz.de -- Interview zu Gentests für Embryos: "Höchstens 300 Fälle pro Jahr" | |
> Droht nach einem Urteil des BGH willkürliche Selektion von Embryonen? | |
> Nein, sagt der Vorsitzende der deutschen Reproduktionsmediziner. Auf das | |
> Down-Syndrom etwa werde gar nicht getestet. | |
Bild: Aus Plastik kann man sie schon herstellen: Designer-Embryonen. | |
taz.de: Herr Krüssel, der Bundesgerichtshof hat die | |
Präimplantationsdiagnostik, kurz: PID, in manchen Fällen erlaubt, Kritiker | |
fürchten nun eine willkürliche Selektion von Embryonen. Warum glauben Sie | |
nicht an einen Dammbruch? | |
Jan-Steffen Krüssel: Das Urteil sagt ja sehr deutlich, dass die PID nur in | |
einem sehr begrenzten Bereich angewendet werden darf, die | |
Geschlechtsbestimmung eines Kindes gehört ganz klar nicht dazu. Die | |
Mutationen sind aber in jedem Einzelfall andere, deshalb gibt es auch | |
keinen Standardtest. Für jedes betroffene Paar muss erst einmal neu | |
herausgefunden werden, wo die Störung liegt. | |
In welchen Fällen ist eine PID dann angezeigt? | |
Immer dann, wenn es bei vorausgegangenen Schwangerschaften bereits einen | |
schicksalhaften Verlauf gab. Welche Fehlbildungen oder Störungen das in den | |
Einzelfällen genau sind, kann man nicht exakt sagen, das sind ganz | |
unterschiedliche Sachen. Das klassische Down-Syndrom gehört aber sicher | |
nicht dazu. | |
Warum nicht? | |
Trisomie 21 ist eine Störung, die zu einem großen Teil von der Mutter | |
kommt, sie wird über das Alter der Eizelle vererbt. Das kann - und konnte | |
auch schon vor dem Urteil - völlig legal durch die Prokörperbiopsie | |
diagnostiziert werden. | |
Entsteht durch solch ein Urteil nicht ein gesellschaftlicher Druck, alle | |
zur Verfügung stehenden Tests auch zu machen? | |
Das müsste dann ja heute schon gelten. Es gibt ja bereits die Möglichkeit | |
der Pränataldiagnostik oder der Fruchtwasseruntersuchung. Außerdem kann man | |
gar nicht das ganze Genom untersuchen und damit auch nicht auf alle | |
etwaigen Defekte vorab testen. | |
Taz: Behinderte fühlen sich dennoch durch dieses Urteil in ihrer Würde | |
verletzt, können Sie das verstehen? | |
Krüssel: Ich kann das natürlich in gewissem Sinne verstehen, trotzdem sitzt | |
mir im konkreten Fall dann ja ein Paar gegenüber, das ich auch sehr gut | |
verstehen kann. Das ist sicherlich schwierig, das dann in einen | |
gesellschaftlichen Kontext zu kriegen, da gebe ich Ihnen auch recht. | |
13 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Ariane Lemme | |
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