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# taz.de -- Offener Brief an Chinas Regierung: "Reformversprechen wahrmachen"
> Die Qualifikation des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo für den Preis
> steht außer Zweifel, sagen Xu Youyu, Cui Weiping und Jia Jia. Ein offener
> Brief chinesischer Aktivisten an die Regierung.
Bild: Chinesische Menschenrechtler demonstrieren weiterhin für die Befreiung d…
Mehr als 100 chinesische Aktivisten haben in einem offenen Brief an die
Regierung die Freilassung des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu
Xiaobo gefordert. Das Schreiben wurde kurz vor dem gestrigen Beginn des
jährlichen Treffens der Führung der Kommunistischen Partei Chinas
öffentlich. Verfasst wurde es von drei Wissenschaftlern: dem früheren
Professor für politische Philosophie, Xu Youyu, der Professorin der
Pekinger Film-Akademie, Cui Weiping, und dem Forscher Jia Jia. Die taz
dokumentiert den Brief.
"Die Auszeichnung des chinesischen Staatsbürgers Liu Xiaobo mit dem
Friedensnobelpreis 2010 hat inner- und außerhalb Chinas heftige Reaktionen
hervorgerufen. Dies ist ein großes Ereignis in der modernen chinesischen
Geschichte. Es bietet der chinesischen Gesellschaft in ihrem friedlichen
Übergang in Richtung Demokratie und verfassungsmäßige Regierung die
Aussicht auf einen wesentlichen Schritt nach vorn. Im Geiste der
Verantwortung für Chinas Geschichte und Zukunftsaussichten möchten wir
folgendes erklären:
1. Die Entscheidung des Nobelkomitees, den diesjährigen Preis an Liu Xiaobo
zu vergeben, steht in vollem Einklang mit den Prinzipien des Preises und
den Kriterien seiner Vergabe. In der Welt von heute ist Frieden eng mit
Menschenrechten verknüpft. Entrechtung und Zerstörung von Leben geschieht
nicht nur auf Schlachtfeldern der Kriege zwischen Nationen; es geschieht
auch innerhalb einzelner Nationen, wenn tyrannische Regierungen Gewalt
anwenden und das Recht missbrauchen. Das Lob, das wir weltweit für den
Beschluss wahrnehmen, den diesjährigen Preis an einen Vertreter von Chinas
Menschenrechtsbewegung zu vergeben, zeigt die Weisheit und gute
Terminierung des Beschlusses.
2. Liu Xiaobo ist eine hervorragende Wahl für den Friedensnobelpreis. Er
ist in seinem Streben zum Schutz der Menschenrechte beständig für
Gewaltlosigkeit eingetreten und hat sich sozialer Ungerechtigkeit durch
vernünftige Argumentation entgegengestellt. Er hat die Ziele der Demokratie
und der verfassungsmäßigen Regierung hartnäckig verfolgt und von Zorn
selbst gegen seine Verfolger abgesehen. Diese Tugenden stellen seine
Qualifikation für den Preis außer Zweifel, und seine Handlungen und
Überzeugungen können außerdem anderen in der Lösung politischer und
sozialer Konflikte als Vorbild dienen.
3. In den Tagen seit Verkündung des Preises haben Führer vieler Nationen,
Regionen und wichtiger internationaler Organisationen die chinesischen
Behörden aufgerufen, Liu Xiaobo freizulassen. Wir schließen uns an.
Zugleich rufen wir die Behörden auf, alle politischen Gefangenen
freizulassen, die aus Gründen wie ihre Äußerungen, ihre politischen
Ansichten oder ihre religiösen Überzeugungen in Haft sind. Wir bitten, dass
juristische Verfahren zur Freilassung Liu Xiaobos unverzüglich eingeleitet
werden, und dass Liu und seine Frau nach Oslo reisen dürfen, um den
Friedensnobelpreis entgegenzunehmen.
4. Als sie von der Nachricht des Preises für Liu Xiaobo erfuhren,
versammelten sich Bürger an mehreren Orten Chinas in Restaurants, um über
Essen und Wein ihre Begeisterung zu teilen, zu diskutieren, Transparente
hochzuhalten und Schriften zu verteilten. So normal und gesund diese
Aktivitäten waren, sie stießen auf Störung und Repression seitens der
Polizei. Manche Teilnehmer wurden befragt, bedroht und nach Hause
begleitet; andere wurden festgenommen; wieder andere, darunter Liu Xiaobos
Frau Liu Xia, sind unter Hausarrest gestellt und von Kommunikation
abgeschnitten worden. Wir rufen die Polizei auf, diese illegalen Handlungen
umgehend einzustellen und die illegal festgenommenen Menschen freizulassen.
5. Wir rufen die chinesischen Behörden auf, mit dem Friedensnobelpreis für
Liu Xiaobo realistisch und vernünftig umzugehen. Sie sollten die Reaktionen
auf den Preis inner- und außerhalb Chinas beachten und in diesen Reaktionen
die gegenwärtige Haltung der Welt und auch die tieferen Wünsche unserer
Mitbürger erkennen. China sollte sich dem Mainstream der zivilisierten
Menschheit anschließen, indem es universelle Werte annimmt. Dies ist der
einzige Weg, auf der Weltbühne eine "große Nation" zu werden. Wir sind
davon überzeugt, dass jedes Anzeichen von Verbesserung oder guten Willens
seitens der Regierung und ihrer Führung auf Verständnis und Unterstützung
im chinesischen Volk stoßen wird und dazu beitragen wird, die chinesische
Gesellschaft in eine friedliche Richtung zu bewegen.
6. Wir rufen die chinesischen Behörden auf, ihre vielfach wiederholten
Versprechen zur Reform des politischen Systems wahrzumachen. In einer
kürzlichen Serie von Reden hat Premier Wen Jiabao ein starkes Bedürfnis
durchblicken lassen, politische Reformen zu fördern. Wir stehen bereit, uns
daran aktiv zu beteiligen. Wir erwarten von unserer Regierung, dass sie die
Verfassung der Volksrepublik China sowie die Charta der Vereinten Nationen
und andere internationale Vereinbarungen einhält, die sie unterschrieben
hat. Dies wird es nötig machen, die Rechte chinesischer Bürger zu achten,
wenn sie an einem friedlichen Übergang zu einer Gesellschaft arbeiten, die
tatsächlich und nicht nur im Namen eine Demokratie und ein Rechtsstaat sein
wird."
Übersetzung aus dem Englischen: Dominic Johnson.
Quelle: [1][http://lawprofessors.typepad.com/china_law_prof_blog/]
15 Oct 2010
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