# taz.de -- Journalisten mit Migrations-Hintergrund: "Sie müssen sehr, sehr gu… | |
> Qualität setzt sich durch – das gilt besonders für Journalisten | |
> nichtdeutscher Herkunft, sagt Forscher Daniel Müller. Sie haben es | |
> hierzulande schwerer als anderswo. | |
Bild: Eine der wenigen Journalistinnen mit nichtdeutschen Wurzeln, die es gesch… | |
taz: Herr Müller, "manchmal ist es nicht nur wichtig, was geschrieben wird. | |
Sondern auch wer schreibt", lautet die Anzeige für ein taz-Volontariat für | |
eine Frau mit Migrationsgeschichte. "Es gibt keine Altersbeschränkung, | |
spezifische Berufsabschlüsse sind nicht zwingend. Soziales Engagement, | |
Lebenserfahrung und Interesse an Qualitätsjournalismus werden | |
vorausgesetzt." Was halten Sie von dieser Ausschreibung? | |
Daniel Müller: Angesichts der Situation, dass wir kaum Migranten in den | |
Medien haben, finde ich sie gut. Es muss irgendwo ein Durchbruch geschaffen | |
werden, um die - nicht nur in Bezug auf fehlende Migranten - große | |
Einseitigkeit der Redaktionskulturen zu überwinden. Aber auf Dauer ist es | |
nicht zu rechtfertigen, dass die Deutschen einen Hochschulabschluss | |
brauchen, die Migranten nicht. | |
Woran liegt es, dass Migranten in den Medien unterrepräsentiert sind? | |
Zunächst einmal haben Migranten die schlechteren Schulabschlüsse - was | |
jetzt nicht heißt, dass man auf sie draufhauen soll. Gerade im sprachlichen | |
Bereich gibt es Defizite, aber gerade die Sprache muss ja perfekt sein, | |
will man in den Medien arbeiten. Außerdem: Diejenigen, die gut ausgebildet | |
und qualifiziert genug sind, wollen oft nicht in die Medien. Die Branche | |
hat - mit Ausnahme des Fernsehens - an Glamour verloren, die | |
wirtschaftliche Lage ist zu unsicher. Und es gibt bei manchen | |
Personalverantwortlichen noch Vorbehalte. | |
Die wären? | |
Man will sich keine Schwierigkeiten machen, die lokalen Vereine nicht | |
erschrecken, seine Leser nicht überfordern. | |
Anders als etwa in den USA und England sind bei uns nach einer groben | |
Schätzung nur zwei bis drei Prozent aller Journalisten nichtdeutschen oder | |
bikulturellen Ursprungs. Warum? | |
Wir haben keinerlei Einwanderungskultur und eine aktive Migrationspolitik | |
erst seit zehn Jahren. Davor haben wir Gastarbeiter geholt oder | |
Asylbewerber geduldet - was dazu geführt hat, dass diese Gruppe noch nicht | |
soweit ist wie etwa in den USA oder in England. Zudem gibt es in diesen | |
Ländern einen höheren Minderheitenanteil. | |
Medienanstalten bemühen sich mit Quoten um Menschen mit | |
Zuwanderungsbiografien. Müssen Migranten systematisch rekrutiert werden? | |
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf alle Fälle - die haben noch die | |
finanziellen Möglichkeiten und einen öffentlichen Auftrag. | |
Ergibt eine Vielfalt in den Redaktionen auch eine Vielfalt bei den Themen? | |
Wenn man sich erhofft, wir stellen jetzt eine Türkin ein, die holt uns die | |
Türken ins Blatt, dann ist das eine heikle Geschichte. Denn es gibt viele | |
Migranten, die sich nicht in eine Ecke stellen lassen wollen, nicht die | |
Türkentante oder der Russenonkel sein wollen. Außerdem glaube ich nicht, | |
dass diese Mitarbeiter Themen nach anderen Kriterien oder | |
Nachrichtenfaktoren auswählen. Im Gegenteil: Sie werden oft päpstlicher | |
sein als der Papst, um nicht als Fürsprecher oder Anwalt der Migranten zu | |
gelten. | |
Kollegen nichtdeutscher Herkunft klagen oft , dass sie als der "Ausländer | |
vom Dienst" eingekauft werden. Was können Migranten dagegen tun? | |
Sie müssen einfach sehr, sehr gut sein. Dann können sie Vorurteile aus der | |
Welt räumen und verhindern, immer auf das Kopftuch angesetzt zu werden. | |
Also müssen Migranten besser sein als der Durchschnitt der | |
Mehrheitsgesellschaft? | |
Ich zitiere immer den feministischen Spruch: Gleichberechtigung herrscht | |
erst, wenn auch eine unfähige Frau einen wichtigen Posten besetzen kann - | |
wie es für Männer selbstverständlich ist. Das gilt auch für Migranten. | |
18 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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