# taz.de -- Journalistische Ausbildung: Überstunden im Tarnmantel | |
> In Schleswig-Holstein wird ein neues Programm für Volontäre angeboten. | |
> Die Vorteile sind unklar - außer für den ausbildenden Verlag: Der senkt | |
> seine Personalkosten. | |
Bild: Ob das neue Volontariat wohl mehr Qualität schafft? Oder eher mehr Renta… | |
Das klingt nach richtig guten Nachrichten: Ein Verlag vervierfacht seine | |
Ausgaben für seine Redakteursausbildung, finanziert einer Fachhochschule | |
einen Journalismus-Studiengang und gibt seinen Volontären noch einen Master | |
mit - bei fast Tariflohn. | |
Doch das passt nicht zum Ruf des scheinbar spendablen Unternehmens: Der | |
Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SH:Z) ist als äußerst sparsam und | |
trickreich bekannt - gerade bei Personalkosten. Er gibt zahlreiche | |
Lokalzeitungen und Anzeigenblätter in Schleswig-Holstein und | |
Mecklenburg-Vorpommern heraus, unter anderem das Flensburger Tageblatt und | |
die Schweriner Volkszeitung. | |
Im Oktober vergangenen Jahres hat das Flensburger Medienhaus sein | |
Volontariat umgestellt: Wer bei ihm Redakteur werden will, muss jetzt drei | |
statt zwei Jahre in die Ausbildung und einen ersten Studienabschluss | |
mitbringen. Die Volontäre arbeiten wie bisher 40 Stunden pro Woche in den | |
Redaktionen mit, doch das gilt nun als Praxisteil ihres Masterstudiums | |
"Journalismus und Medienwirtschaft" an der Fachhochschule Kiel. | |
Gleichzeitig, also am Wochenende und nach Feierabend, pauken sie | |
überwiegend per Fernstudium Theorie - der Stoff soll in 20 Stunden pro | |
Woche zu schaffen sein. Dreimal im halben Jahr gibt es Blockseminare von | |
Freitag bis Sonntag. | |
Der SH:Z und die FH haben den Studiengang gemeinsam entwickelt. Studieren | |
darf nur, wer bei einem Medienunternehmen angestellt wird, das Partner der | |
Fachhochschule ist und Financier. | |
Doch warum gibt es dieses Programm? "Wir wollen gute Leute heranbilden, die | |
irgendwann den Bestand der redaktionellen Qualität sichern", sagt Rainer | |
Mohrmann, stellvertretender Chefredakteur des SH:Z. Der Verlag reagiere mit | |
dem neuen Programm auf die größeren Anforderungen in der Branche. "Es | |
werden nur die Tageszeitungen überleben, die dem Leser absolute Qualität | |
liefern", glaubt Mohrmann. | |
Doch der Verlag hat nicht den Ruf, in journalistische Qualität zu | |
investieren. "Der SH:Z ist nicht bekannt wegen seiner publizistischen | |
Leistungen, sondern wegen seines ökonomischen Erfolgs", sagt der Dortmunder | |
Medienwissenschaftler Horst Röper. Der Verlag ist hoch profitabel. Selbst | |
im Medienkrisenjahr 2009 weist der Konzernabschluss einen Überschuss von | |
rund 5,5 Millionen Euro aus, in besseren Zeiten ist der Gewinn rund dreimal | |
so hoch. Ein Grund: "Der Verlag hat sehr früh auf Outsourcing gesetzt", | |
sagt Röper. Es gibt eine Tochter für die Sportberichterstattung und für die | |
Onlineausgabe, bei der aber auch Redakteure für die Zeitungen angestellt | |
sind. Beide Gesellschaften bezahlen keinen Tariflohn. Darüber hinaus gibt | |
es Pauschalistenverträge. | |
Die Vervierfachung der Ausgaben für die Ausbildung entstehen vor allem | |
dadurch, dass der Verlag die Anzahl der Volontäre erhöht. Allein für die | |
Medien in Schleswig-Holstein beginnen jedes Jahr zwölf Journalisten die | |
Ausbildung, früher waren es acht oder neun. Sie kosten weniger als | |
Redakteure, können aber meist fast genauso mitarbeiten - mehr Volontäre | |
auszubilden, als man später anstellen will kann also auch Personalkosten | |
sparen. | |
Hochgerechnet bedeutet die Umstellung, dass die Volontäre mehr als doppelt | |
so viel Zeit in ihre Ausbildung stecken müssen. Dafür winken am Ende | |
hervorragende Berufsaussichten, wenn man der Studienordnung glaubt: | |
Führungskräfte für Journalismus und Medienwirtschaft sollen herangebildet | |
werden, steht dort. | |
Doch das klingt ganz anders nach den Worten von Mohrmann: Es gehe um das | |
Personal für die Lokal- und Mantelredaktionen. Die Absolventen hätten | |
hinterher "beste Chancen, wenn wir Planstellen freihaben". | |
16 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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