# taz.de -- Widerstand gegen Gentrifizierung: Hamburger kämpfen um Wohnraum | |
> Während es in Hamburg an Wohnungen mangelt, stehen rund 1,2 Millionen | |
> Quadratmeter Bürofläche leer. Nun wächst der Widerstand gegen die | |
> Wohnungspolitik. | |
Bild: Autonomes Zentrum "Rote Flora": Widerstand gegen die Gentrifizierung Hamb… | |
Es soll nur der Auftakt gewesen sein. Im Szeneviertel Schanze, unweit des | |
autonomen Zentrums Rote Flora, hatten einige wenige Aktivisten ein fast | |
leer stehendes Wohnhaus besetzt, davor solidarisierten sich 300 Menschen. | |
Ganze vier Polizei-Hundertschaften und zwei Wasserwerfer brauchte es, um | |
die Besetzung am vergangenen Samstag aufzulösen. Es war seit Jahren die | |
erste dieser Art in der Hansestadt. Die Polizei rechnet damit, dass es | |
nicht die letzte war. | |
Die Aktion war Teil der Leerstands-Kampagne, bestehend aus über hundert | |
Organisationen, die gegen Gentrifizierung, Büroleerstand und die | |
schwarz-grüne Wohnungspolitik kämpfen. Für Samstag ruft das Bündnis zur | |
Großdemo auf, initiiert vom Netzwerk "Recht auf Stadt". Erwartet werden | |
etwa 2.000 Teilnehmer. | |
Die Aktivisten rennen offene Türen ein. Denn während in der wachsenden | |
Stadt viel zu wenig Wohnungen gebaut werden und so der Mangel an | |
bezahlbaren Wohnungen um sich greift, stehen derzeit rund 1,2 Millionen | |
Quadratmeter Bürofläche leer. | |
Von Slogans wie "Leerstand zu Wohnraum" und "Mieten runter" fühlen sich | |
viele Hamburger angesprochen. Radikalere Forderungen nach einer | |
Legalisierung von Besetzungen und Vergesellschaftung des Wohnraums finden | |
selbst in der Hamburger Morgenpost und in Springers Abendblatt Zuspruch. | |
Auch die SPD und die mitregierenden Grünen fanden die Besetzung vom Samstag | |
als Signal okay. | |
"Das hätte vor einem Jahr niemand für möglich gehalten", sagt Steffen Jörg | |
vom Bündnis "Leerstand zu Wohnraum". Damals hatte sich das Netzwerk erst | |
gegründet, seitdem versuchen verschiedene Initiativen, die von | |
Kleingärtnern in Altona über die Rote Flora bis hin zum Gängeviertel | |
reichen, ihren Protest auf breite Füße zu stellen. | |
Mit ersten Erfolgen: dem Rückkauf des Gängeviertels durch die Stadt, dem | |
Stopp der Fernwärmetrasse für das Kohlekraftwerk Moorburg und dem Erhalt | |
eines Grünzugs etwa. Aus der politischen Debatte ist das Thema Verdrängung | |
nicht mehr wegzudenken. Der Staatsschutz hat eine Arbeitsgruppe | |
"Gentrifizierung" gegründet, die Polizei hat das Thema auf der Agenda, | |
überwacht einzelne Initiativen. | |
Die Demo hat sich mit dem Astra-Turm einen symbolträchtigen Ort ausgesucht. | |
Zunächst hatte die Stadt den alten Turm auf dem ehemaligen Brauereigelände | |
auf St. Pauli gerettet, letztlich ging er an einen privaten Investor. Heute | |
steht der neue, 68 Meter hohe Büroturm unweit der ehemals umkämpften | |
Hafenstraße zu über 70 Prozent leer. | |
"Und das, obwohl es immer heißt, es gebe zu wenig Flächen für | |
Sozialwohnungen", empört sich Aktivist Steffen Jörg. Gerade beim Thema | |
Wohnen seien viele von den Folgen der Sanierungswut und der Aufwertung | |
ganzer Stadtviertel betroffen. | |
"Wenn so viel Büroraum in Hamburg leer steht, orientiert sich das | |
jedenfalls nicht am Bedarf", so Jörg. Würden in Hamburg alle leer stehenden | |
Büroflächen umgewandelt, könnte daraus nach Schätzung der Mietervereine und | |
des Netzwerks "Recht auf Stadt" Wohnraum für 40.000 Menschen entstehen. | |
22 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
## TAGS | |
Hamburg | |
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