# taz.de -- Kommentar Haiti und die Medien: Kein Hiphop, nur Cholera | |
> Die in Abhängigkeit gehaltenen Länder des Südens brauchen keinen | |
> Katastrophenjournalismus, sondern kompetente Berichterstattung. Der Trend | |
> geht leider andersherum. | |
Neun Monate nach dem Jahrhundertbeben in Haiti ist eine weitere humanitäre | |
Katastrophe in vollem Gange: In den letzten Tagen sind in der nördlichen | |
Provinz Artibonite bereits mehr als 200 Menschen an Cholera gestorben. Nun | |
hat die Epidemie die Hauptstadt Port-au-Prince erreicht. Prompt rückt der | |
verarmte Karibikstaat wieder ins Medieninteresse. | |
Was haben die HaitianerInnen davon? Sicher, nun gäbe es einen aktuellen | |
Aufhänger, um über Fortschritte und Rückschläge bei der Bewältigung der | |
Erdbebenfolgen zu berichten - noch immer hausen ja Hunderttausende in | |
Notunterkünften. Derweil sind die Spielräume für eine eigenständige | |
Politik, die dem Land seit seiner Unabhängigkeit 1804 systematisch | |
verweigert wurden, weiter geschrumpft. | |
Militärische, ökonomische und politische Interventionen werden durch die | |
US-Doktrin der "failed states" legitimiert, für die "humanitäre" | |
Begleitmusik sind die Medien zuständig. Kritische Analysen des | |
militärischen Blitz- und Großeinsatzes, mit dem sich Washington im Januar | |
rücksichtslos auch über die dort stationierten UN-Blauhelme hinwegsetzte, | |
waren Mangelware. | |
Seither raschelte es nur noch einmal im Blätterwald: nämlich als im August | |
die haitianischen Wahlbehörden dem in den USA wohnhaften Hiphopper Wyclef | |
Jean die Präsidentschaftskandidatskandidatur verweigerten. Der Begründung | |
war hieb- und stichfest: Der zukünftige Staatschef muss zuvor mindestens | |
fünf Jahre in Haiti gelebt haben. Dennoch machten viele Journalisten keinen | |
Hehl aus ihrer Enttäuschung - was für eine Story wurde ihnen da vermasselt! | |
Die in Abhängigkeit gehaltenen Länder des Südens brauchen keinen | |
Katastrophenjournalismus, sondern kompetente und kontinuierliche | |
Berichterstattung. Der Trend geht leider in die entgegengesetzte Richtung. | |
24 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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