Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Trinkwasser wird Luxusgut: Haiti in den Zeiten der Cholera
> Sauberes Wasser ist für die meisten Menschen in Haiti unerschwinglich.
> Die Erdbebenopfer in Zeltstädten sind noch am besten dran.
Bild: Am Dienstagabend meldete die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesa…
Was hat der Ausbruch der Cholera in Haiti mit dem Erdbeben zu tun? Nichts,
meint die Büroleiterin der Diakonie Katastrophenhilfe, Astrid Nissen. Die
Epidemie sei Resultat einer "strukturellen humanitären Krisensituation" in
Haiti. Die Hygiene und die Wasserversorgung sei im Armenhaus Lateinamerikas
"schon immer prekär" gewesen.
Der Mangel an Trinkwasser und verunreinigtes Wasser, erklären Helfer vor
Ort, seien nach wie vor eines der großen Probleme Haitis. Gemüse liege in
den Märkten regelrecht im Dreck und werde nur unzureichend erhitzt
konsumiert. Ein 16-Liter-Kanister mit Trinkwasser kostet inzwischen 200
Gourdes, umgerechnet etwas mehr als vier Euro. Das ist unerschwinglich für
den Großteil der Bevölkerung, die zu vier Fünftel mit durchschnittlich 77
Eurocent am Tag ihren Lebensunterhalt bestreiten muss. Viele Menschen sind
daher regelrecht gezwungen, kontaminiertes Wasser aus dem Fluss zu nutzen -
nicht nur für die Wäsche und zum Baden, sondern auch fürs Kochen und zum
Trinken.
Diese Probleme hätten sich seit dem Erdbeben vom Januar, das rund 300.000
Tote forderte, noch verschärft, sagt der Hospitalmanager des Deutschen
Roten Kreuzes (DRK) in Haiti, Andreas Fabricius. Das DRK betreibt seit dem
Erdbeben ein großes Behelfskrankenhaus in Carrefour. Eine der Ursachen für
den Ausbruch der Cholera sieht Fabricius in den schweren Regenfällen der
letzten Wochen, die zu Überschwemmungen geführt hätten und auch dazu, dass
Latrinen übergelaufen seien. Zum Glück regne es derzeit nicht, sagt
Fabricius. Aber ein erneuter schwerer Regen oder ein tropischer Sturm
könnten die Lage verschärfen.
Die rund 1.300 provisorischen Zeltlager der Erdbebenüberlebenden, in denen
seit Monaten rund 1,3 Millionen Menschen in mehr als prekären Verhältnissen
leben, blieben bisher von der Cholera verschont. Das liegt vor allem an den
internationalen Hilfswerken. Sie sorgen dafür, dass regelmäßig gereinigtes
Trinkwasser in die Lager geliefert wird und die Mobiltoilettenhäuschen
halbwegs regelmäßig geleert und gereinigt werden. Nachdem sich aber die
allgemeine Wasserversorgung wieder stabilisiert hat, erhalten viele der
"normalen" Stadtviertel wieder "normales" Wasser aus der Leitung, sofern
diese nicht beschädigt ist. Vor allem für die Slums von Port-au-Prince
besteht deshalb eine erhöhte Choleragefahr.
Aus Port-au-Prince werden bereits mindestens drei Choleraerkrankungen
bestätigt. Die Personen würden allerdings aus der Epidemieregion im Norden
der haitianischen Hauptstadt stammen, heißt es dort.
Die Koordinatorin der deutschen Hilfsorganisation Humedica, Caroline Klein,
warnt davor, von einer Eindämmung der Suche zu reden. Das Gegenteil sei der
Fall: "Wir wissen, dass die Cholera sich im Norden weiter ausbreitet und es
einen großen Bedarf an Hilfe gibt. Die Situation ist definitiv nicht unter
Kontrolle und es gibt noch immer betroffene Orte, die komplett ohne
medizinische Versorgung sind", heißt es in einer Erklärung. Die
Kindernothilfe in Haiti (KNH), die Tausende oftmals chronisch unterernährte
Kinder und Waisen in den Notlagern betreut, hat bereits an lokale
Partnerorganisationen "Hygienekits" verteilt. Es werden Mitarbeiter in
Choleraprävention geschult und Wasserfilter verteilt, sagt KNH-Sprecherin
Katja Anger.
Am Dienstagabend meldete die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt
284 Choleratote und 3.769 Erkrankte. Die Epidemie breite sich nicht mehr so
schnell aus wie zu Anfang, die Sterberate gehe zurück. Alle Fälle wurden
bisher im Gebiet nördlich von Port-au-Prince zwischen der Hafenstadt St.
Marc und Gonaïve gemeldet. In St. Marc griffen etwa 300 Menschen aus Angst
vor Ansteckung ein Cholera-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen an,
schleuderten Steine und einen Molotow-Cocktail. Argentinische UN-Soldaten
rückten an. Behördenvertreter versicherten der aufgebrachten Menge
schließlich, dass die Klinik nicht in ihrem Viertel eingerichtet werde.
28 Oct 2010
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Ausbruch in Haiti: Cholera erreicht Florida
In den USA ist die erste Erkrankung mit der haitianischen Cholera bekannt
geworden. Unterdessen flammt auf Haiti erneut der Protest gegen die
erfolglose Bekämpfung auf.
Cholera geplagtes Haiti: Toter bei Demo gegen UN-Truppen
Mindestens einen Toten fordert die Gewalt bei einer Demo gegen die
UN-Truppen in Haiti. Die Demonstranten vermuten Soldaten aus Nepal als
Ursache für den Ausbruch der Cholera.
Deutschland erhöht Hilfsgelder: Cholera breitet sich in Haiti rasant aus
650 Tote, mehr als 7.000 Erkrankte und 10.000 Infizierte - Haiti bekommt
den Cholera-Erreger nicht in den Griff. Auch die Hauptstadt ist betroffen.
Verdacht gegen UN-Blauhelme: Stammt Cholera in Haiti aus Nepal?
Laut einer US-Untersuchung sind die Erreger der Cholera in Haiti mit
Stämmen aus Südasien identisch. Das lenkt den Verdacht auf nepalesische
Soldaten.
Kommentar Haiti und die Medien: Kein Hiphop, nur Cholera
Die in Abhängigkeit gehaltenen Länder des Südens brauchen keinen
Katastrophenjournalismus, sondern kompetente Berichterstattung. Der Trend
geht leider andersherum.
Erdbebenfolgen in Haiti: Cholera fordert mehr als 200 Opfer
Die Cholera-Seuche bewegt sich vom Nordwesten des Landes auf die Hauptstadt
Port-au-Prince zu. Mehr als 3.000 Menschen sind bereits infiziert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.