# taz.de -- Präsidentenwahl der Elfenbeinküste: Hoffnung für ein abgestürzt… | |
> Die Präsidentenwahl am Sonntag soll zehn Jahre Bürgerkrieg beenden. Sie | |
> ist der letzte Auftritt einer gescheiterten Generation. | |
Bild: Präsident Laurent Gbagbo tanzt mit seinen Anhängern. | |
BERLIN taz | Zum ersten Mal in der Geschichte haben die Bürger der | |
Elfenbeinküste am Sonntag die Gelegenheit zu einer freien | |
Präsidentschaftswahl. Das Land, das sich einst für das fortgeschrittenste | |
in Westafrika hielt, ist das letzte der Region, in dem alle wichtigen | |
Politiker gleichzeitig bei einer Wahl antreten. Das allein unterstreicht | |
die Bedeutung des Urnengangs am 31. Oktober, mit dem die Elfenbeinküste den | |
Schlussstrich unter 10 Jahre Instabilität ziehen will. | |
Fast 40 Jahre seit der Unabhängigkeit 1960 war die Elfenbeinküste fest in | |
der Hand der Kakaobarone rund um die einstige Einheitspartei PDCI | |
(Demokratische Partei der Elfenbeinküste) gewesen, die die Elfenbeinküste | |
zum größten Kakaoproduzenten der Welt gemacht hatten und vom Aufstieg des | |
Landes zum "Elefanten" träumten, Asiens Tigerstaaten gleich. | |
Aus dieser Zeit kommen auch alle Namen, die heute in der ivorischen Politik | |
wichtig sind. Präsident Henri Konan Bédié unterdrückte sozialistische | |
Oppositionelle unter Laurent Gbagbo, der unter Kleinbauern im Süden stark | |
war. Gbagbo hielt unzufriedene Liberale um den zeitweiligen Premierminister | |
Alassane Ouattara aus dem Norden der Elfenbeinküste aus der Politik heraus. | |
Zu Weihnachten 1999 putschte das Militär. Bei Wahlen 2000 erklärte sich | |
Militärjuntachef Robert Guei zum Sieger gegen Gbagbo, aber dessen FPI | |
(Ivorische Volksfront) organisierte einen Volksaufstand und ergriff die | |
Macht. | |
Als Gbagbo sich dann weigerte, Neuwahlen zu organisieren, meuterten 2002 | |
erneut Militärs. Sie übernahmen unter dem Namen FN (Neue Kräfte) die | |
Kontrolle über die Nordhälfte des Landes, Die Elfenbeinküste wurde geteilt. | |
Erst 2007 brachte ein Friedensabkommen den Durchbruch: FN-Führer Guillaume | |
Soro wurde Premierminister. | |
Mit mindestens einem Jahrzehnt Verspätung treten nun die Altpolitiker | |
endlich auf Augenhöhe gegeneinander an: Gbagbo (65), Ouattara (68) und | |
Bédié (75). Erneuerung bringt das nicht, aber die meisten Ivorer wären | |
froh, wenn man einfach die Uhren in ihrem Land zurückstellen könnte. | |
Die einst stolze Elfenbeinküste ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, mit | |
49 Prozent ihrer 22 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze gegenüber 10 | |
Prozent im Jahr 1985. In der einstigen Glitzermetropole Abidjan wuchern | |
Slums. Der Nachbar Ghana ist heute Westafrikas Wirtschaftslokomotive. | |
Der Wahlkampf verläuft erstaunlich ruhig, gemessen daran, dass Politiker | |
sich noch vor wenigen Jahren gegenseitig die Existenzberechtigung | |
absprachen und Milizen ethnische Massaker begingen. Erbitterter Streit | |
darum, wieviele der Bewohner der Elfenbeinküste wirklich "Ivorer" sind, | |
also Staatsbürger, hatte der Spaltung des Landes zugrundegelegen. | |
Zu den Kakaoboomzeiten waren Millionen Arbeiter aus armen Nachbarländern | |
wie Mali und Burkina Faso in die ivorischen Plantagen gezogen und machten | |
den einheimischen Kleinbauern - Gbagbos Basis - Konkurrenz. | |
Heute gelten sie als Unterstützer der Rebellen beziehungsweise des | |
Nordivorers Ouattara. Aber erstaunlicherweise haben sich inzwischen alle | |
Protagonisten auf eine Wählerliste mit 5.725.720 Namen geeinigt. Dennoch | |
ist die Wiedervereinigung des Landes noch nicht vollendet, zehntausende | |
Milizen aller Seiten stehen noch unter Waffen. Der Frieden bleibt brüchig. | |
Insgeheim wissen die Altpolitiker, dass ihnen die Zeit davonläuft. Eine | |
junge Generation, die in der Krise aufwuchs, drängt in die Politik. Auf sie | |
hofft Rebellenchef und Premierminister Soro (38), der jetzt noch nicht zur | |
Wahl antritt, aber als Schiedsrichter auf seine Stunde wartet. | |
Gbagbo ist der wahrscheinliche Wahlsieger, denn seine Partei hat die | |
aktivste Jugend. Ouattara und Bédié hoffen lediglich, ihn in eine Stichwahl | |
zu zwingen. Ob das ruhig abläuft, hängt davon ab, ob die Ivorer dem Ablauf | |
der Wahl trauen. Auch das wäre eine historische Premiere. | |
29 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Präsidentschaftswahl in der Elfenbeinküste: Gewaltausbruch bei der Stichwahl | |
Am Wahltag kommt es zu Unruhen, mehrere Menschen sterben. Opposition und | |
Regierung erheben wechselseitige schwere Vorwürfe. Die Stimmung ist | |
angespannt. | |
Gewalt vor der Wahl in der Elfenbeinküste: "Putschisten" und "Fescisten" | |
Jeden Tag kommt es in der Elfenbeinküste zu Gewalt zwischen Anhängern des | |
Staatschefs Gbagbo und seines Herausforderers. Droht der Rückfall in den | |
Bürgerkrieg? | |
Patt bei ersten freien Wahlen: Polarisierung in der Elfenbeinküste | |
Entscheidung Stichwahl: Weder Staatschef Gbagbo noch Oppositionsführer | |
Ouattara siegten in der ersten Runde der Präsidentenwahl in der | |
Elfenbeinküste. | |
Gestiegener Kakaopreis: Schokolade nährt Spekulanten | |
Der Kakaopreis hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Doch vorerst | |
profitieren davon nicht die Bauern, sondern ein Hedgefonds. Jetzt wehren | |
sich die Händler. |