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# taz.de -- Szenenkenner über griechische Anarchisten: "Anarchisten sind Rentn…
> Von: Griechischen Anarchisten. An: Berliner Kanzleramt. Kam die
> Paketbombe tatsächlich aus der Szene? Die taz hat beim langjährigen
> Aktivisten Vasilios Sifakis nachgefragt.
Bild: Griechische Anarchisten bei der Arbeit.
taz: In den vergangenen Monaten haben Gruppen wie die "Konspiration der
Zellen des Feuers" "Volksaktion", "Revolutionärer Kampf" oder "Sekte der
Revolutionäre" mit militanten Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Was
sind das für Leute?
Vasilios Sifakis (Name von der Redaktion geändert): Der Revolutionäre Kampf
ist schon seit einigen Jahren aktiv. In diesem Zusammenhang gab es einige
Verhaftungen, manche der Verhafteten haben sich zu den Aktion bekannt,
andere nicht. Diese Leute stammen aus der anarchistischen Szene. Über die
anderen Gruppen wissen wir viel weniger.
Was ist mit der "Konspiration der Zellen des Feuers", die auch mit der
Paketbombe ans Kanzleramt in Verbindung gebracht wird?
Da sitzen zwei Männer und eine Frau in Haft, die sich sogar geweigert
haben, der Polizei auch nur ihre Namen zu nennen. Die sagen: Ihr seid
Arschlöcher, wir reden nicht mit euch. Nach einigen weiteren wird
gefahndet. Das sind alles junge Leute, die vom Aufstand vom Dezember 2008
geprägt wurden. Sie wurden durch die Ermordung von Alexis Grigoropoulos
durch die Polizei und dem Aufstand danach politisiert und radikalisiert.
Die bleiben unter sich; haben mit der anarchistischen Szene nicht so viel
zu tun und wollen auch nichts mit ihr zu tun haben. Sie wollen nicht
einmal, dass auf Indymedia über sie geschrieben wird.
Warum?
Die sagen: Die anarchistische Szene ist tot, die ist zu reformistisch, zu
passiv, das sind alles Rentner. Und wir sind Stadtguerilla, wir sind der
Funke der Revolution. Politisch scheinen die sich eher in der Tradition der
russischen Narodniki zu verorten.
Und wie reagiert die etablierte anarchistische Szene darauf?
Mit Abstand. Ein ganz kleiner Teil der Szene solidarisiert sich mit diesen
Gruppen, der Rest sagt: Das ist deren Sache, nicht unsere. Diskutiert wird
das höchstens in kleinen Gruppen, aber Texte gibt es kaum dazu.
Im März dieses Jahres starb in Athen ein 15-jähriger Afghane, der zufällig
eine Tasche mit einer Bombe gefunden hatte. Hat das in der Szene eine
Diskussion ausgelöst?
Kaum, und das ist auch ein Problem der Szene, das über solche Fragen zu
wenig diskutiert wird. Es hat ja auch niemand die Verantwortung für diese
Bombe übernommen.
Traditionell hat die anarchistische Szene nicht auf "Stadtguerilla"gesetzt,
sondern Massenmilitanz propagiert und praktziert. Am 5. Mai dieses Jahres
starben in einer Athener Bank drei Menschen, nachdem das Gebäude aus einer
Demonstration heraus angezündet worden war. Hatte das Folgen?
Das war für die Szene ein echter Schock. Und danach begann sie, über das
Verhältnis zu Militanz nachzudenken: Wann Gewalt, unter welchen Umständen,
mit welchen Grenzen, was ist mit den Opfern etc.? Die Ereignisse haben die
Szene geschwächt, und sind sicher ein Grund dafür, dass sie trotz der
Wirtschaftskrise im Moment nicht so aktiv ist.
3 Nov 2010
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
Griechenland
Anarchisten
Athen
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