# taz.de -- Neues aus Griechenland: Der lange Schatten der Jugendproteste | |
> Die anarchistische radikale Szene Griechenlands galt als zersplittert. | |
> Seit diesem Sommer gerät sie aufgrund militanter Aktionen wieder stärker | |
> in den Fokus der Sicherheitsbehörden. | |
Bild: Studierendenproteste auf griechisch: Athen im Oktober 2010. | |
BERLIN taz | Nach den Funden mehrerer aus Griechenland stammender | |
Paketbomben haben die griechischen Behörden am Dienstagabend für 48 Stunden | |
die Beförderung internationaler Luftfracht gestoppt. Zudem fahndet die | |
griechische Polizei nach den Absendern der Pakete. Sicherheitskräfte | |
vermuten die Täter im erstarkten linksextremen Milieu Griechenlands. | |
Bereits im Juni wurde eine Briefbombe an den damaligen Innenminister | |
Chrysochoidis geschickt, die dessen Büroleiter tötete. Dazu hatte sich eine | |
unbekannte Organisation bekannt, die den "bewaffneten Kampf" als Mittel des | |
Widerstands gegen Staat und Kapitalismus deklarierte. | |
Eine andere Gruppe mit dem Namen "Sekte der Revolutionäre" bekannte sich | |
kurz darauf zum Mord an einen Journalisten, der im Juli erschossen wurde. | |
Diese Gruppe erklärte in einem Schreiben, nur "die vollständige Zerstörung | |
des Staates und aller Strukturen" könne den Menschen eine "neue | |
Lebensperspektive" geben, propagiert wird ein "neues Leben ohne Macht, ohne | |
Grenzen, ohne Religion". | |
Zu einer ähnliche Ideologie bekennt sich die Gruppe "Verschwörung der | |
Zellen des Feuers", die die griechische Polizei nun als Absender der | |
jüngsten Paketbomben im Visier hat. | |
Am Dienstagabend wurden in Athen bereits zwei mutmaßliche Mitglieder dieser | |
Gruppe verhaftet. Einer der beiden stand schon auf einem Fahndungsplakat | |
der Polizei, der andere ist der Bruder eines ebenfalls bereits gesuchten | |
Mitglieds. Bei den Verhafteten mit Namen Argiros und Tsakalos hat die | |
Polizei nach eigenen Angaben Handfeuerwaffen und zwei Paketbomben gefunden, | |
die an die belgische Botschaft und an den französischen Präsidenten Sarkozy | |
adressiert waren. Inzwischen wurden sie wegen Mitgliedschaft in einer | |
terroristischen Vereinigung und versuchten Totschlags angeklagt. Nach fünf | |
weiteren Verdächtigen wird gefahndet. | |
Als Ursache der linksanarchistischen Gewalt sehen Beobachter der Szene die | |
wochenlangen gewalttätigen Jugendproteste vom Dezember 2008. Auslöser waren | |
die tödlichen Schüsse aus einer Polizeipistole auf den 15-jährigen Alexis | |
Grigoropoulos am 6. Dezember 2008. Zwar flauten die Massenproteste | |
allmählich ab, doch bereits im Februar 2009 kam es zu Sprengstoff- und | |
Brandanschlägen auf Wohnungen von Politikern und Richtern sowie Banken und | |
Polizeiwachen. Alle Bekennerschreiben bezogen sich dabei auf den Tod von | |
Alexis Grigoropoulos. | |
Viele Jugendliche seien in der Zeit der Proteste politisiert und | |
radikalisiert worden, sagte ein griechischer Kenner der anarchistischen | |
Szene der taz. Der Grieche deutet die Radikalisierung der letzten Monate | |
auch als einen Generationenkonflikt zwischen den neuen Akteuren und der | |
etablierten anarchistischen Szene. | |
Während die etablierte Szene eher Massenmilitanz propagiere, setzten die | |
Jugendlichen nun auf Bomben und Anschläge. Eine Kommunikation zwischen | |
diesen beiden Gruppierungen finde nicht statt. Zudem gebe es unter den | |
neuen Akteuren bis heute kaum eine Diskussion über die Frage der Gewalt und | |
deren Grenzen. | |
4 Nov 2010 | |
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Griechenland | |
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