# taz.de -- Kommunalwahlen in Griechenland: Keine Lust auf Urnengang | |
> Die Sozialisten verlieren bei den Kommunal- und Regionalwahlen, bleiben | |
> mit 35 Prozent aber stärkste Partei. Premier Papandreou sieht seinen | |
> Sparkurs bestätigt und verzichtet auf Neuwahlen. | |
Bild: Kommt hinter seiner Drohkulisse hervor: Premier George Papandreou. | |
ATHEN dpa | Es sind klare Botschaften, die die griechischen Wähler | |
ausgesendet haben: Die Bürger sind frustriert, sie ächzen unter dem harten | |
Sparkurs, den die regierenden Sozialisten dem Land aufgezwungen haben, um | |
es vor dem Bankrott zu retten. Aber sie wollen auch Stabilität - und auf | |
gar keinen Fall vorgezogene Neuwahlen, wie sie Ministerpräsident Giorgos | |
Papandreou angedroht hatte, falls seine sozialistische PASOK die Kommunal- | |
und Regionalwahlen am Sonntag verlieren sollte. | |
Und zumindest diese Botschaft ist angekommen: "Wir setzen unsere Politik | |
konsequent fort", sagte Papandreou noch am Abend in einer Fernsehansprache. | |
Von Neuwahlen ist nun keine Rede mehr. Kein Wunder: Hochrechnungen zufolge | |
haben die Sozialisten im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2009 zwar rund | |
zehn Prozent verloren, bleiben aber mit 34 Prozent immer noch knapp | |
stärkste politische Kraft. | |
Die Botschaften der Bürger müssen die Politik trotzdem beunruhigen. Das | |
gilt vor allem für den dramatischen Rückgang der Wahlbeteiligung. | |
Landesweit gingen 40 Prozent der Wähler nicht zu den Urnen. In der Regel | |
beträgt die Wahlbeteiligung mehr als 75 Prozent. Die Nachricht an die | |
griechischen Politiker und Parteien dürfte klar sein: "Hört auf, drumherum | |
zu reden und strengt euch an", hieß es in einem Kommentar des griechischen | |
Radios. | |
"Ich sage es anders: Ich habe die Schnauze voll von unseren Politikern. Die | |
sollen arbeiten, nicht ihre Machtkämpfe auf unsere Kosten austragen. | |
Deswegen habe ich nicht gewählt", sagt Theodoros Ioannidis, ein | |
Angestellter eines Pharmaunternehmens in Athen, am Montag. "Wahlsieger ist | |
die Wahlabstinenz", titelte die Athener Zeitung Adesmeftos. | |
Die nächste Nachricht ging an die regierenden Sozialisten. Auch wenn sie | |
stärkste Kraft blieben: Die Verluste von rund zehn Prozent binnen eines | |
Jahres schmerzen die Partei. Papandreou weiß, was er den Wählern mit seinem | |
Sparkurs zumutet. Doch auch er selbst hatte zuletzt keine allzu gute Figur | |
gemacht. | |
Seine Drohung, Neuwahlen auszurufen, falls seine Partei die Kommunal- und | |
Regionalwahlen verlieren sollte, hatte nicht nur die Experten des | |
Internationalen Währungsfonds (IWF) entsetzt. Auch vielen Griechen ist | |
klar: Vorgezogene Wahlen würden das ohnehin wankende Land noch einmal in | |
eine Ohnmachtsphase stürzen. Und das ausgerechnet jetzt, wo es einen klaren | |
finanzpolitischen Kurs braucht. Umfragen bestätigten, dass 80 Prozent der | |
Griechen Neuwahlen ablehnen. "Die Urnen haben den Weg zu den Urnen | |
(Neuwahlen) versperrt", hieß der Tenor im Athener Boulevardblatt Ethnos am | |
Montag. | |
Auch für die Konservativen gab es eine klare Botschaft. Sie erhielten etwa | |
32 Prozent und rücken den Sozialisten damit gefährlich nahe. Und doch ist | |
ihr Ergebnis noch schlechter als vor einem Jahr bei den Parlamentswahlen. | |
Damals hatten die Konservativen mit 33,5 Prozent das bislang schlechteste | |
Resultat in ihrer Geschichte eingefahren. "Wir haben die Nachricht zur | |
Kenntnis genommen", meinte der Chef der Konservativen, Antonis Samaras. | |
Trotzdem interpretierte er das Ergebnis als einen Sieg für seine Partei. | |
Einen Tag nach den Kommunalwahlen fing der Ernst des Lebens für die | |
griechische Regierung und die Politiker des Landes wieder an. Experten des | |
IWF und der EU trafen am Montag in Athen ein, um erneut die Bücher zu | |
prüfen. Von ihren Kontrollen hängt es ab, ob Griechenland Mitte Dezember | |
die nächste Rate der Hilfe in Höhe von neun Milliarden Euro bekommt. | |
Andernfalls wird das Land keine Renten und keine Gehälter an die | |
Staatsbediensteten zahlen können. | |
Athens gefährlicher Seiltanz geht damit weiter. "Und das Seil ist noch sehr | |
lang. Hoffentlich haben die Politiker unsere Nachricht verstanden", sagte | |
ein Passant im Fernsehen am Montag. | |
8 Nov 2010 | |
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