# taz.de -- Kommentar CDU-Parteitag: So viel Merkel war noch nie | |
> Die Krise der CDU ist mehr als eines der üblichen Stimmungstiefs: Die CDU | |
> ist überaltert. Und sie verliert vor allem in ihren Hochburgen. Doch sie | |
> reagiert nicht darauf. | |
Die CDU ist eine Volkspartei im Niedergang. Dieser Prozess wird, anders als | |
bei der SPD, nicht von dramatischen Gesten und schroffen Kurswechseln | |
begleitet, aber er ist erkennbar. In Baden-Württemberg droht der CDU im | |
nächsten Frühjahr nach 57 Jahren der Machtverlust. | |
Die Niederlage in Stuttgart wäre, wenn es so kommt, vergleichbar mit dem, | |
was der SPD 2005 in Nordrhein-Westfalen widerfahren ist: ein Zeichen, dass | |
das selbstverständlich Geglaubte verschwindet, das den Erosionsprozess der | |
Partei noch beschleunigen wird. | |
Die Krise der CDU ist mehr als eines der üblichen Stimmungstiefs: Die | |
Bindekraft der Partei schwindet. Die CDU schrumpft, sie ist überaltert. Und | |
sie verliert, wie die SPD zwischen 2000 und 2009, vor allem in ihren | |
Hochburgen, ihre Stammwähler bleiben zu Hause. | |
Offenbar wird es immer schwerer, die Interessen und Stimmungslagen des | |
kirchentreuen Rentners und des agnostischen Jungunternehmers, der | |
karriereorientierten Großstädterin und des von Abstiegsängsten geplagten | |
und latent fremdenfeindlichen Arbeiters zu verbinden. Das, und nicht | |
Stuttgart 21, ist das Problem der CDU. | |
Umso erstaunlicher ist, wie die Partei in Karlsruhe auf diese missliche | |
Lage reagiert: irgendwie gar nicht. Die CDU war noch nie eine sonderlich | |
debattenfreudige Partei. Aber dass niemand diese für die Partei doch | |
beunruhigende Entwicklung wenigstens zur Sprache bringt, spricht für eine | |
beachtliche Ignoranz. | |
Angela Merkel hat ihre Partei im Griff. Die Führungsspitze der CDU ist, mit | |
Norbert Röttgen und Ursula von der Leyen, politisch äußerst homogen | |
zusammengesetzt. So viel Merkel war nie in der CDU. Ihre Konkurrenten haben | |
allesamt das Feld geräumt, die innerparteiliche Opposition ist an den Rand | |
gedrängt. | |
Die Wirtschaftsliberalen haben es noch nicht einmal geschafft, Anträge für | |
Steuersenkungen auf die Tagesordnung zu bekommen. Merkels Macht ist | |
gefestigt. Aber auf die Krise ihrer Partei hat sie keine schlüssige | |
Antwort. | |
Merkel inszeniert vorsorglich schon mal einen Lagerwahlkampf gegen | |
Rot-Rot-Grün. Außerdem schimpft die CDU immer mal wieder auf Multikulti und | |
spielt, zögerlich, mit antiislamischen Stimmungen. Das ist das klassisch | |
konservative Rezept, auf Krisen zu reagieren: den Gegner verteufeln und, | |
vielleicht, eine Minderheit bashen. Ein brauchbares Konzept für die CDU ist | |
es nicht. | |
15 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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