# taz.de -- Generaldebatte im Bundestag: Regierung attackiert "Dagegen-Grüne" | |
> Die "taktischen Spielchen", die die SPD der Regierung vorwirft, wurden | |
> bei der Generaldebatte im Bundestag aufgegeben. Mit Verbalattacken | |
> griffen sich die Parteien munter gegenseitig an. | |
Bild: Attacke: Kanzlerin Merkel angriffslustig im Bundestag. | |
BERLIN dpa/dapd | Die Generaldebatte im Bundestag ist in einen Feldzug der | |
schwarz-gelben Koalition gegen die Grünen ausgeartet. Die Spitzen von Union | |
und FDP arbeiteten sich am Mittwoch intensiv an der kleinsten | |
Oppositionsfraktion ab und warfen den umfrageverwöhnten Grünen vor, sie | |
seien eine reine Dagegen-Partei und verweigerten sich mit utopischen | |
Forderungen der Realität. | |
Die Grünen reagierten nur knapp auf die Kampfansage. Sie hielten der | |
Regierung Versagen und Lobbyhörigkeit vor. Auch die SPD und die Linke | |
bescheinigten Schwarz-Gelb eine verantwortungslose Klientelpolitik. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht ihre Koalition hingegen nach den ersten | |
13 Monaten auf Kurs. "Wir haben die Weichen in die richtige Richtung | |
gestellt", sagte die CDU-Vorsitzende. Die Wirtschaft wachse wieder, die | |
Arbeitslosenzahl sei unter die Drei-Millionen-Marke gesunken. | |
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielt Schwarz-Gelb dagegen vor, | |
mit einem "Regierungschaos ohne Ende" das Vertrauen der Wähler bereits | |
verspielt zu haben. Wegen der erhöhten Terrorgefahr fand die Sitzung unter | |
strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. | |
Die Auseinandersetzung zwischen Merkel und ihrem ehemaligen Vizekanzler war | |
erster Höhepunkt der Generaldebatte über den Haushalt 2011. Die CDU-Chefin | |
warf der SPD vor, sich von vielen Positionen aus ihrer Regierungszeit in | |
"affenartigem Tempo" verabschiedet zu haben. Noch härter ging sie mit den | |
Grünen ins Gericht, die derzeit im Umfrage-Hoch sind. Die Grünen seien | |
"ziemlich fest verbandelt mit dem Wort dagegen". | |
Die Partei sei angeblich für den Zugverkehr, aber sobald ein neuer Bahnhof | |
oder eine neue ICE-Strecke gebaut werden solle, seien die Grünen dagegen. | |
"So geht es nicht", kritisierte sie. Die Partei drücke sich vor der | |
Verantwortung und stelle sich den Realitäten nicht. Unions-Fraktionschef | |
Volker Kauder (CDU) bezeichnete die Grünen als "Dagegen-Partei gegen | |
alles". CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warf ihnen "Weichspül- | |
und Wohlfühlparolen" vor. | |
Grünen-Chefin Renate Künast reagierte betont gelassen auf die Attacken und | |
ging nur knapp auf die Vorhaltungen ein. "Wir nehmen den Handschuh gerne | |
auf", sagte sie. Die Menschen in Deutschland hätten die Wahl zwischen zwei | |
Konzepten - Schwarz oder Grün. "Sie sind dem Alten verpflichtet", sagte | |
Künast an die Adresse der Regierung, "wir werden von der Zukunft gezogen." | |
Schwarz-Gelb richte das Land nicht neu aus und gehe entscheidende Aufgaben | |
nicht an, kritisierte Künast. "Sie setzen die Zukunft des Landes aufs | |
Spiel." Die Regierung habe keine Antworten auf die anstehenden | |
Herausforderungen in der Bildungspolitik, beim Umbau der Wirtschaft, der | |
Bekämpfung des Fachkräftemangels oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien. | |
Stattdessen betreibe die Koalition von Union und FDP "gnadenlose | |
Klientelpolitik". | |
SPD-Fraktionschef Steinmeier hielt der schwarz-gelben Koalition vor, | |
Deutschland "weit unter seinen Möglichkeiten" zu regieren. Union und FDP | |
betrieben keine Politik für den Gemeinsinn, sondern eine Spaltung der | |
Gesellschaft. Mit ihrer Atompolitik sowie den Gesundheitsplänen rissen sie | |
gesellschaftliche Großkonflikte neu auf. In der Euro-Krise stoße Merkel mit | |
"taktischen Spielchen" die kleineren europäischen Partner vor den Kopf. | |
Merkel wies die Vorwürfe zurück. Mit einem erwarteten Wachstum von 3,4 | |
Prozent in diesem Jahr habe die deutsche Wirtschaft wieder Tritt gefasst. | |
Auch in den nächsten Jahren könne man auf "vernünftige Wachstumspfade" | |
hoffen. Merkel bekräftigte das Ziel, zum 1. Januar 2012 Maßnahmen für ein | |
einfacheres Steuerrecht umzusetzen. "Wenn die Haushalte konsolidiert sind, | |
wenn wir Spielräume haben, machen wir das." Wörtlich sagte die Kanzlerin: | |
"Wir wollen ein Land sein, in dem sich Leistung lohnt, in dem sich Arbeit | |
lohnt, damit wir Kraft für die Solidarität der Gesellschaft haben." | |
Die Kanzlerin sprach sich erneut für die Beteiligung privater Investoren | |
bei der Lösung künftiger Euro-Krisen aus. "Hier geht es um die Frage des | |
Primats der Politik, hier geht es um die Fragen der Grenzen der Märkte." In | |
der EU müsse es zu einer schlüssigen Wirtschaftspolitik kommen, die sich an | |
den Besten orientiere, "damit unser Kontinent stark wird". | |
Die Linke kritisierte die jüngsten Beschlüsse von Union und FDP als "Herbst | |
der Fehlentscheidungen". Fraktionschefin Gesine Lötzsch warf der Koalition | |
eine "schändliche und verlogene Politik" vor. Lötzsch kritisierte die | |
geplante Verlängerung der Atomlaufzeiten, die Gesundheitsreform und das | |
Festhalten an der Rente mit 67 und beklagte, der Haushalt der Regierung | |
treibe die soziale Spaltung im Land voran. "Noch nie hatten Lobbygruppen so | |
einen Einfluss auf Regierungen", kritisierte sie. Und weiter: "Ihre Bilanz | |
ist eindeutig: Noch nie wurden so viele sichere Arbeitsplätze in schlecht | |
bezahlte umgewandelt", sagte sie an die Adresse der Kanzlerin. | |
24 Nov 2010 | |
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