# taz.de -- Ökosanierung versus zahlbare Mieten: Grüne streiten über soziale… | |
> Auf dem Bundesparteitag der Grünen in Freiburg geht es auch um die Kosten | |
> der energetischen Sanierung für Mieter. Kreuzberger Grüne wollen | |
> Warmmietenneutralität. | |
Bild: Voll öko und dennoch günstig: Wollmützen für Häuser | |
Kreuzbergs grüner Bürgermeister Franz Schulz hat ein Problem. Am | |
Carl-Herz-Ufer will der Eigentümer von fünf Häusern energetisch sanieren | |
und die Kosten auf die Mieter umlegen. Die aber können die Mieterhöhung | |
nicht stemmen. Es droht die Klimaschutzverdrängung. Für einen Grünen nicht | |
einfach. | |
Franz Schulz wirbt bei seiner Partei, die vom heutigen Freitag bis zum | |
Sonntag beim Bundesparteitag in Freiburg über Klimaschutz debattiert, | |
deshalb für die Forderung nach der sogenannten Warmmietenneutralität. | |
Energetische Sanierung ja - aber nur, wenn die Einsparungen bei Heizkosten | |
die Modernisierungsumlage umgehend ausgleichen. "Das ist ein wichtiges | |
politisches Ziel, gerade dort, wo es einkommensschwache Haushalte gibt", so | |
der Parteilinke. | |
Ganz anders sieht das Franziska Eichstädt-Bohlig. "Klimaschutz gibt es | |
nicht zum Nulltarif", sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der | |
grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, und mit dieser Überzeugung fährt sie | |
auch nach Freiburg. Der Berliner Landesverband ist mit der Federführung des | |
Themas energetische Sanierung beauftragt. Die Forderung nach einer | |
Warmmietenneutralität hat Eichstädt-Bohlig nicht im Gepäck. Für die Reala | |
gilt vielmehr die Formel, dass sich Eigentümer, Mieter und öffentliche Hand | |
die Kosten für Wärmedämmung, Solaranlagen und neue Heizkessel teilen | |
sollen. "Für die Mieter, die das nicht können, wollen wir ein | |
Klimawohngeld." Alles andere, so Eichstädt-Bohlig, sei unrealistisch. | |
Tatsächlich ist Warmmietenneutralität nur dann erreichbar, wenn der | |
energetische Zustand eines Hauses vor der Sanierung so schlecht war, dass | |
damit buchstäblich die Straße beheizt wurde. Im Normalfall aber werden bei | |
einer Modernisierungsumlage nach Klimasanierung von einem Euro pro | |
Quadratmeter nur 30 bis 50 Cent an Heizkosten eingespart. Und Beispiele wie | |
etwa die Siedlung Schwendyweg in Spandau, die die Energieagentur für | |
gelungene Warmmietenneutralität anpreisen, haben einen Haken: Bei der | |
energetischen Sanierung durch die Charlottenburger Baugenossenschaft gab es | |
60 Prozent der Modernisierungskosten als Fördermittel. | |
In Kreuzberg, sagt Bürgermeister Schulz, sei das Problem noch größer. | |
"Gerade in Altbauten gibt es weniger Einsparungen nach Klimasanierung als | |
in den Beständen der Sechziger- und Siebzigerjahre." Auch deshalb ist das | |
Carl-Herz-Ufer für den Grünen-Politiker ein Präzedenzfall. Mit einer | |
sogenannten Umstrukturierungssatzung will Schulz den Eigentümer an den | |
Verhandlungstisch zwingen. "Ziel ist es, bei Härtefällen nicht die ganzen | |
Kosten umzulegen." Von einer Warmmietenneutralität, die erst nach fünf | |
Jahren greift, hält Schulz nicht viel. "Das heißt, dass die Mieter fünf | |
Jahre lang eine Miete zahlen sollen, die sie nicht zahlen können." | |
Seine Forderung hat Schulz bereits auf dem Landesparteitag der Berliner | |
Grünen im Juni vorgetragen. Durchsetzen konnte er sich nicht. "Wir gehen | |
davon aus, dass die Einsparungen die Kosten in einem Zeitraum von sieben | |
bis zwölf Jahren ausgleichen", sagt Bauexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig. | |
"Würden wir eine Warmmietenneutralität fordern, bedeutete dies, dass die | |
Eigentümer immer nur schrittweise sanieren." Gerade aber beim Klimaschutz | |
wollen die Grünen keine Investitionshemmnisse aufstellen. | |
Forderungen an den Bund dagegen schon. So wird der Parteitag in Freiburg | |
beschließen, dass es zusätzliche günstige Kredite für Klimasanierung von | |
der Kreditanstalt für Wiederaufbau geben soll. Darüber hinaus sollen, so | |
ein Antrag der grünen Bundestagsfraktion, Modernisierungsumlagen nur noch | |
bei energetischer Sanierung greifen. | |
Franz Schulz dagegen helfen keine Appelle an den Bund. Er muss den Mietern | |
am Carl-Herz-Ufer erklären, was möglich ist und was nicht. Immerhin: Mit | |
der Aufstellung einer Sanierungssatzung kann der Bezirk jede Modernisierung | |
stoppen. Das ist dann aber keine einvernehmliche Politik mehr gegenüber den | |
Eigentümern, wie sie Eichstädt-Bohlig fordert, sondern Konfrontation. | |
18 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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