# taz.de -- Neuer Park in Prenzlauer Berg: Ruhestätte wird Erholungsstätte | |
> Aus einem verwildertem Friedhof in Prenzlauer Berg wird ein Park. | |
> Ursprünglich wollte die Kirche das Gelände als Bauland verkaufen. Dagegen | |
> hatten Anwohner protestiert. | |
Bild: Grillen geht immer: der Volkspark Friedrichshain | |
Ein kleines Tor an der Prenzlauer Allee führt zum Friedhof St.-Marien-/St. | |
Nikolai II - es ist wie eine Tür zu einer anderen Welt. Am Eingang gibt es | |
noch Zeichen des Stadtlebens: ein paar Wandschmierereien etwa. Doch je | |
tiefer der Spaziergänger auf den alten Friedhof vordringt, desto stärker | |
wird das Gefühl, sich in einer stillen Oase verirrt zu haben. Hinter den | |
Mauern verblasst der Straßenlärm, hohe Bäume reihen sich aneinander, ihre | |
Blätter liegen auf den Wegen, viele Grabsteine stehen schief oder liegen | |
auf dem Boden. Dazwischen liegt hier und da ein frischer Blumenstrauß oder | |
es leuchtet eine Kerze - Zeichen dafür, dass sich um einige der | |
Verstorbenen noch Angehörige kümmern. | |
Aus dem Friedhof wird teilweise ein Park werden - ganz offiziell. Das haben | |
Anwohner erkämpft: Ihre Bürgerinitiative hat in dreijähriger Arbeit die | |
evangelische Kirche und den Senat von ihrem Plan überzeugt. Die Kirche | |
wollte das Gelände als Bauland ursprünglich teuer verkaufen. Gegen den | |
Ausblick, statt des wild wuchernden Grüns eine ganze Reihe von | |
Eigentumswohnungen vor die Nase gesetzt zu bekommen, regte sich jedoch | |
rasch Protest. Nun will die Kirche noch vor Ende des Jahres das Grundstück | |
an das Land Berlin verkaufen. Dann muss der Senat dem Bauplan grünes Licht | |
geben, sodass die Bauarbeiten im Laufe des kommenden Jahres erfolgen | |
können. Die neue Grünfläche - insgesamt knapp 7.000 Quadratmeter groß und | |
an der Heinrich-Roller-Straße gelegen - soll "Leise Park" heißen. "Für die | |
Gestaltung erhalten wir 350.000 Euro öffentliche Mittel", sagt Leane | |
Benjamin vom Pankower Amt für Umwelt und Natur. | |
Später soll ein weiterer Teil des Friedhofs zur Grünfläche werden. Es | |
handelt sich um rund 9.000 Quadratmeter, die an den neuen Park anschließen. | |
Zuvor muss die Kirche allerdings diese Fläche sichern und dabei Bäume und | |
Grabsteine überprüfen. Dann wird das Land Berlin dieses Grundstück | |
ebenfalls kaufen. | |
Was mit den Grabsteinen passiert, ist noch ungewiss: Wenn die Angehörigen | |
sie nicht abholen, muss die evangelische Kirche sie entsorgen. Im "Leise | |
Park" werden "einige Grabsteine, die sicher sind, stehen bleiben. Doch alle | |
können nicht erhalten werden, es sind einfach zu viele", erklärt Leane | |
Benjamin. Die Gebeine der Toten werden unter der Erbe bleiben, da die | |
Fläche nicht bebaut wird. | |
Auf dem Friedhof fanden 30 Jahre lang keine Beerdigungen statt, denn wie | |
viele andere Kirchhöfe wurde er zu DDR-Zeiten geschlossen. So hatte sich | |
die Fläche bereits zu einem Park entwickelt: Für viele Anwohner ist er ein | |
beliebter Ort für Spaziergänge. Das Bezirksamt Pankow hat das Projekt der | |
Bürgerinitiative stets unterstützt: Das angrenzende Winsviertel hat sehr | |
wenige Grünflächen. | |
Für die Kirche hatte sich der inoffizielle Park allerdings zu einem | |
finanziellen Problem entwickelt. Nur auf einem Viertel der Fläche finden | |
seit der Wende wieder Bestattungen statt, erklärt Pfarrer Jürgen Quandt. | |
Den großen restlichen Teil konnte die Kirche nicht nutzen, teilweise steht | |
er sogar unter Denkmalschutz. Doch sie musste das Areal weiterhin pflegen. | |
Barbara Schneider wohnt in der viel befahrenen Prenzlauer Allee und hat | |
2007 die Bürgerinitiative, die gegen das Bauprojekt kämpfte, mitbegründet. | |
Die Anwohner trafen sich regelmäßig und sammelten Unterschriften gegen die | |
Planung des Bauprojekts. Erst durch ihren Einsatz seien zahlreiche Anwohner | |
auf das Bauprojekt überhaupt aufmerksam geworden. "Es gab viel Ärger: Leute | |
haben die evangelische Kirche bis zum Bischof angeschrieben", berichtet | |
Schneider. Zwei Jahren zog sich der Streit zwischen der Initiative und der | |
Friedhofskommission der St.-Marien-/ St.-Petri-Gemeinde. Zum letztlichen | |
Erfolg beigetragen hätte die Unterstützung des Bezirks. "Es kann aber auch | |
sein, dass die Kirche überrascht war, dass die Anwohner so viel Interesse | |
an dem Friedhof hatten", so Schneider. | |
In den letzten Monaten konnten die Anwohner ihre eigenen Wünsche und | |
Vorstellung von dem künftigen Park in den Planungsprozess einbringen. | |
Inzwischen haben sich Bezirk, Friedhofsverband und Anwohner geeinigt: Eine | |
naturnahe Grünfläche mit Spielanlagen wird entstehen. Die Mitglieder der | |
Bürgerinitiative sind sehr zufrieden, denn der urwüchsige Charakter der | |
Fläche wird ihrer Meinung nach erhalten. Und sogar Freundschaften zwischen | |
Nachbarn sind entstanden. "Es war sehr verbindend", sagt Barbara Schneider. | |
"Wir haben viel zusammen erlebt." | |
1 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Marlene Goetz | |
## TAGS | |
Urban Gardening | |
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