# taz.de -- Die Elfenbeinküste nach der Wahl: Ein Land, zwei Präsidenten | |
> Die Elfenbeinküste in der Krise: Die Wahlkommission ruft | |
> Oppositionsführer Ouattara zum Wahlsieger aus, das Verfassungsgericht | |
> Präsidenten Gbagbo. | |
Bild: Wollen keine Änderung an der Staatsspitze: Anhänger von Präsident Laur… | |
Die politische Krise in der Elfenbeinküste nach der Präsidentschaftswahl | |
vom vergangenen Sonntag spitzt sich weiter zu. Die Wahlkommission rief am | |
späten Donnerstag zwar Oppositionsführer Alassane Ouattara zum Wahlsieger | |
mit 54 Prozent der Stimmen aus, was dem Ergebnis der Stimmauszählung | |
entspricht. | |
Aber das Verfassungsgericht, dessen Führung dem bisherigen Präsidenten | |
Laurent Gbagbo nahesteht, erklärte diese Proklamation umgehend für nichtig. | |
Am Freitag nachmittag rief es Gbagbo zum Wahlsieger aus. | |
So können sich nun sowohl Ouattara als auch Gbagbo für die legitimen | |
Staatschefs der Elfenbeinküste halten. Das kommt einer erneuten Teilung des | |
Landes gleich: Nur der Südteil der Elfenbeinküste wird von Gbagbo regiert; | |
im Norden liegt die faktische Macht immer noch bei den Rebellen der Forces | |
Nouvelles (FN), die 2002 per Armeemeuterei diesen Landesteil unter ihre | |
Kontrolle brachten und eher Ouattara nahestehen. Beide Seiten unterhalten | |
ihre eigenen bewaffneten Kräfte und werden nur durch 9.000 UN-Blauhelme | |
voneinander getrennt. | |
Die politische Krise äußert sich auch in einer ökonomischen Blockade. Die | |
Elfenbeinküste ist der größte Kakaoproduzent der Welt, mit über einer | |
Million Tonnen pro Jahr; ein Großteil der ivorischen Ernte wird in der | |
Schweiz und Deutschland verarbeitet, und die Kakaoplantagen sind das | |
Rückgrat der ivorischen Wirtschaft. | |
Die Ernte 2010 ist eingefahren, und eigentlich müssten bis Jahresende um | |
die 300.000 Tonnen Kakao die ivorischen Häfen verlassen. Aber seit der | |
Nacht zum Freitag sind die ivorischen Grenzen in der Luft, zu Wasser und zu | |
Lande vom Militär geschlossen, was einem Exportstopp gleichkommt. | |
Gewalt zwischen Gbagbo- und Ouattara-Anhängern sowie die von der Regierung | |
vor den Wahlen verhängte nächtliche Ausgangssperre ab 19 Uhr erschweren | |
ohnehin Ernte und Transport. 25.000 Tonnen Kakao lagern ivorischen | |
Presseberichten zufolge in den Plantagen und werden nicht ausgeliefert. Die | |
Aussicht auf Engpässe lässt bereits die internationalen Kakaopreise in die | |
Höhe schnellen: plus fünf Prozent am Donnerstag und Freitag in London, auf | |
1.960 Pfund pro Tonne. | |
Während des Bürgerkrieges finanzierte sich Gbagbo hauptsächlich aus den | |
Kakaoexporteinnahmen, mit denen er Waffen, Söldner und Berater für den | |
Aufbau einer loyalen Armee und "patriotischer" Jugendmilizen kaufte. Es | |
entstand eine neue Struktur von Ankaufs- und Vermarktungsbehörden für | |
ivorischen Kakao, geleitet von Gbagbos Parteifreunden. Investitionen in | |
Plantagen, Seuchenbekämpfung und Infrastruktur blieben derweil aus. | |
Das führte zu wachsendem Unmut unter den Kakaobauern, von denen viele | |
früher Gbagbo unterstützt hatten. Zwar ließ Gbagbo im Jahr 2008 die meisten | |
Leiter der von ihm gegründeten Kakaobehörden wegen Korruption verhaften. | |
Aber der Prozess gegen sie wurde bis nach der Wahl vertagt, und viele | |
fürchten, dass er unter Gbagbo nie stattfindet. Ouattara hingegen hat die | |
Aufarbeitung der Korruption im Kakaosektor zur Priorität erklärt. | |
Der Unmut der Kakaobauern hat Gbagbo den Wahlsieg gekostet. Der Verband der | |
Kakao- und Kaffeeproduzenten der Elfenbeinküste (Anaprocci), wichtigster | |
Bauernverband des Landes, gab eine Wahlempfehlung für Ouattara ab. Nicht | |
einmal Wahlgeschenke bekam Gbagbo am Schluss noch hin. | |
Für die Ernte 2010/11 hatte die Regierung den Ankaufspreis für Kakao auf | |
das Rekordniveau von 1.100 CFA-Franc (1,67 Euro) pro Kilo festgelegt, | |
gegenüber 950 CFA-Franc im Vorjahr. Aber in der Realität boten Händler den | |
Bauern im Oktober 750 bis 800 CFA-Franc pro Kilo. Die Marktpreise für | |
Lebensmittel schossen derweil vor den Wahlen in die Höhe. | |
3 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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