# taz.de -- Streit an Uni Leipzig: Erst abmahnen, dann sprechen | |
> Ein Journalistik-Professor ließ einen Studenten wegen Urheberrechtsbruch | |
> verklagen. Die Atmosphäre ist schon länger vergiftet. Die Uni-Leitung | |
> will nun schlichten. | |
Bild: Derzeit bei seinen Studenten nicht beliebt: Professor Marcel Machill. | |
Am [1][Leipziger Insitut für Kommunikations- und Medienwissenschaften] | |
liefern sich Studenten mit ihrem Journalistik-Professor Marcel Machill eine | |
mediale Schlammschlacht. Während die Studenten versuchen ihre Kritik | |
mithilfe der Medien zu verbreiten, wehrt sich der Kritisierte mit teils | |
rechtswidrigen Mitteln. | |
Die Auseinandersetzung begann mit einem Buch. Bachelor-Student Roger Vogel | |
hatte das neue Werk von Professor Machill, "Medienfreiheit nach der Wende", | |
eingescannt und seinen Kommilitonen zum Download zur Verfügung gestellt. | |
"Das Buch ist Voraussetzung für die Klausur, die 343 Studenten schreiben | |
müssen", sagt er. In der Unibibliothek war es schnell vergriffen, zu | |
erwerben war es zeitweise auch nicht. | |
Professor Machill machte seinen Verlag auf die Urheberrechtsverletzung | |
aufmerksam, der mahnte Vogel ab. Insgesamt muss er jetzt 2.600 Euro zahlen. | |
"Das, was ich getan habe, war nicht richtig", sagt Vogel heute. Juristisch | |
sei das Vorgehen von Machill also nicht zu verurteilen, moralisch schon. | |
"Er hätte mich ja auch direkt ansprechen können anstatt gleich den | |
juristischen Weg zu gehen." | |
Fragwürdig ist auch, weshalb Professor Machill seinen Studenten nicht | |
mitteilte, dass das fragliche Buch seit Erscheinen bereits kostenlos im | |
Internet zur Verfügung stand. Bei [2][PaperC], einer Plattform mit der der | |
Verlag des Buchs kooperiert, kann es eingesehen aber nicht heruntergeladen | |
werden. Davon setzte Machill die Studenten jedoch erst in seinen | |
Stellungnahmen zum Fall in Kenntnis. | |
In der Novemberausgabe berichtete ein Leipziger Uni-Magazin über den | |
"Illegalen Upload". Ende November erschien [3][in der SZ] ein ausführlicher | |
Bericht, später eine Meldung in der FAZ. Zahlreiche [4][Blogs] nahmen den | |
Fall auf. | |
Die Reaktion auf die Urheberrechtsverletzung war für die Leipziger | |
Studenten jetzt Auslöser für ihre öffentlich vorgetragene Kritik, die sich | |
nicht gegen Machills didaktische Fähigkeiten richtet, sondern gegen seinen | |
Umgang mit Studenten. Sie werfen ihm königliche Selbstherrlichkeit und | |
Mobbing vor und sammeln dafür Beispiele. | |
Statt ihren Protest auf der Straße oder im Büro der Unileitung auszutragen, | |
bedienen sie sich - wie sie es gelernt haben - der Medien. In einer | |
geschlossenen Facebook-Gruppe haben sich knapp 90 StudentInnen organisiert. | |
Es werden gemeinsame Stellungnahmen und Ideen für einen Forderungskatalog | |
ausgearbeitet und geplant, wie das Thema in den Medien gehalten werden | |
kann. "Es geht dabei nicht um die Diskreditierung eines Professors, sondern | |
darum, einen konstruktiven Dialog in Gang zu bringen", sagt Roger Vogel. | |
Professor Machill war für die taz nicht zu erreichen, auf eine schriftliche | |
Anfrage reagierte er nicht. Auf seiner Institutshomepage veröffentlichte er | |
[5][drei Stellungnahmen]. Darin wirft er etwa dem SZ-Autor Christoph Giesen | |
"unterstes journalistisches Niveau" vor, weil er anonyme Quellen zitiere, | |
die sich einseitig äußern. Zudem verletze Giesen den Grundsatz, sich nicht | |
mit einer Sache gemein zu machen "in eklatanter Weise". Beleg dafür sei, | |
dass er der geschlossenen Facebook-Gruppe beitrat. | |
Den Studenten unterstellt Machill eine "Schmutzkampagne", in der es um | |
seine "Demontage" ginge. Eine Dokumentation aus der geschlossenen | |
Facebook-Gruppe mit Screenshots von Einträgen samt Foto und Benutzername | |
der User soll das belegen. | |
Nach Ansicht von Medienanwälten ist diese Dokumentation rechtswidrig. | |
"Diese Veröffentlichung verstößt zum einen gegen deutsches | |
Datenschutzrecht. Darüber hinaus wird das Recht am eigenen Bild der mit | |
Foto abgebildeten Studenten verletzt", sagt der Stuttgarter Anwalt Carsten | |
Ulbricht, spezialisiert auf Social Media und Internetrecht. | |
"Die Profilbilder und der Inhalt der Postings in der geschlossenen Gruppe | |
waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, insofern könnte durch die | |
Veröffentlichung das Persönlichkeitsrecht der Personen verletzt sein", sagt | |
auch Burkhard Renner, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Zudem könne | |
es auch urheberrechtliche Bedenken geben. | |
Die betroffenen Facebook-User hätten demnach Unterlassungsansprüche, | |
könnten einen Anwalt beauftragen und Professor Machill abmahnen lassen. Das | |
allerdings würde den Konflikt weiter eskalieren lassen. Ob die Studenten | |
das riskieren, ist noch unklar. Immerhin spielen auch finanzielle Aspekte | |
eine Rolle, müssten sie doch für die Abmahnung mit einem hohen | |
dreistelligen Betrag für Anwaltskosten selbst in Vorkasse gehen. | |
"Natürlich beschädigt die öffentlicht geführte Debatte den guten Ruf des | |
Instituts", sagt Professor Ansgar Zerfaß, geschäftsführender | |
Instituts-Vorstand. Er geht davon aus, dass man sich zusammensetze werde. | |
"Der betroffenen Kollege und die Studierenden haben ihr Interesse dafür | |
signalisiert und der Dekan hat sich als Moderator angeboten", so Zerfaß. | |
Der Autor hat in Leipzig Journalistik studiert | |
9 Dec 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.uni-leipzig.de/journalistik2/ | |
[2] http://paperc.de/10002-medienfreiheit-nach-der-wende-9783867642675/pages/1 | |
[3] http://www.sueddeutsche.de/karriere/universitaet-leipzig-ein-mann-ein-buch-… | |
[4] http://storify.com/martinhoffmann/causa-machill/ | |
[5] http://www.uni-leipzig.de/journalistik2/lehrstuhl/startseite/stellungnahme/ | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
Paul Wrusch | |
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