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# taz.de -- Selbstverständnis von Journalisten: Die Pressefreiheit liegt schon…
> Wer sich um die Unabhängigkeit der Presse sorgt, muss sich mit der
> Abhängigkeit der Journalisten befassen. Denn viele von ihnen haben
> inzwischen ein Problem mit ihrer Haltung.
Bild: Unter kritischer Beobachtung der Journalisten? Außenminister Guido Weste…
Der perfekte Journalist ist immer ein Fremder." Gay Talese hat das gesagt,
der große amerikanische Reporter, Abkömmling italienischer Einwanderer. Er
war Kind einer Zeit, in der Journalisten und Politiker aus zweierlei Holz
geschnitzt waren, in der sie Angehörige verschiedener Klassen waren, in der
sie ihre Kinder nicht auf dieselben Schulen schickten und ihr Mittagessen
nicht in denselben Restaurants verzehrten.
Das ist Vergangenheit. In Amerika, in Europa, in Deutschland. In Berlin
wird der Anchorman einer der wichtigsten Nachrichtensendungen zum
Regierungssprecher, und die Verwunderung hält sich in Grenzen. Dabei sollte
sie grenzenlos sein. Es ist gefährlich, wenn sich die Mächtigen und die
Medien zu nahe kommen. So war das nicht gedacht mit dem Journalismus.
Das Motto von Joseph Görres, Herausgeber des Rheinischen Merkur, lautete
noch "den Pfuhl unseres öffentlichen Lebens … sondiren bis zu seinem
innersten und tiefsten Grunde; ich will der Welt kundig machen, was es ist
was Reiche verdirbt, Völker zu Schanden macht, und Teutschland an den Rand
des Unterganges gebracht". Das liest sich auch nach annähernd 200 Jahren
nicht so schlecht. Eine Menge deutscher Politjournalisten sollte sich das
merken.
Wenn zwei Zeitungen wie die taz und der Freitag gemeinsam einen
Medienkongress veranstalten, dann werden sie sich also mit dieser Frage
befassen müssen: Als was verstehen sich Journalisten heute? Als
Kontrolleure oder als Moderatoren der Macht? Das ist kein Spaß, dieses
"Sondiren bis zum innersten und tiefsten Grunde". Als die Internetplattform
Wikileaks ihren bislang größten Coup landete und Akten des
US-amerikanischen Außenministeriums im Umfang von etwa 14.000 Seiten
veröffentlichte, da gab es nicht wenige deutsche Journalisten, denen beim
Blick von diesem annähernd 25 Meter hohen Papierstapel hinab in den Abgrund
der Macht schwindelig wurde.
Der Herausgeber der Zeit, Josef Joffe, sprach schlicht von "Hochverrat". Da
ist er wieder, Adenauers "Abgrund von Landesverrat", ein halbes Jahrhundert
später, diesmal aus dem Mund eines Journalisten.
Wer sich heute um die Unabhängigkeit der Presse sorgt, muss sich vor allem
mit der Abhängigkeit der Journalisten befassen, und zwar mit der selbst
gewählten. Wir haben nicht so sehr ein Problem der Rechtslage, sondern
eines der Haltung. Jene Kollegen, die die Wikileaks-Veröffentlichungen
unter dem Gesichtspunkt der Legalität sahen, wurden dazu nicht gezwungen.
Sie taten das freiwillig. Sie wollen Herrschaft nicht kritisieren, sondern
stabilisieren. Sie haben es sich im System gemütlich gemacht, sich selbst
embedded, um den Begriff der PR-Strategen der US-amerikanischen Armee zu
benutzen. Sie haben dabei die Pressefreiheit gleich mit zu Bett gebracht.
Einen Vorteil hat das, immerhin: Es wäre leicht zu ändern. Die Journalisten
müssten nur den schwer zu übersetzenden Rat von Lucy McLane aus "Die Hard
4" beherzigen: dig deep for a bigger set of balls.
Man darf mit Blick auf den medialen Mainstream bezweifeln, dass sie das tun
- oder fündig werden. Die mediale "Revolution", auf die der Titel unserer
Veranstaltung hinweist, kann diese Lücke füllen. Wikileaks stößt bei den
Mächtigen und ihren Medien deshalb auf so heftige Feindschaft, weil es sich
der institutionalisierten Kontrolle entzieht und dennoch wirksam ist.
Kein Wunder, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange gleichsam als Terrorist
gilt. Der Vergleich mit den Angriffen vom 11. September 2001 war erhellend.
Übrigens lautet eine zulässige Übersetzung des arabischen al-Qaida
"Datenbank". Wikileaks spürt jetzt den kalten Systemwind von vorn: Assange
in Haft, die Geldströme beschnitten, der Netzzugang erschwert.
Die mediale Revolution, in der sich der kritische gegen den bequemen Geist
in Stellung bringt, ist kein einfacher Siegeszug. Es ist ein hartes
Geschäft, mit den Mitteln der Öffentlichkeit das Anliegen der
Gegenöffentlichkeit zu betreiben - die taz und der Freitag kennen sich da
aus.
Die Fremdheit, von der Gay Talese spricht, hat einen Preis. Man sollte sich
da keine Illusionen machen. Darauf spielt der Titel unseres Kongresses an:
"Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt". Das bedeutet auch:
Einfacher wird es für uns alle nicht werden.
10 Dec 2010
## AUTOREN
Jakob Augstein
## TAGS
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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