Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mediapart-Redakteurin über Unabhängigkeit: "Wir lassen uns nicht …
> Die französische Internetzeitung finanziert sich ausschließlich über ihre
> 47.000 Abonnenten. Ein Gespräch mit Géraldine Delacroix, der
> Community-Chefin von mediapart.fr.
Bild: Grundidee von Mediapart: unabhängiger und qualitativ hochwertiger Journa…
taz: Frau Delacroix, als das französische Magazin Mediapart 2008 online
ging, war es ein Risikoprojekt. Was hat seine Gründer motiviert, es
trotzdem zu versuchen?
Géraldine Delacroix: Die Grundidee von [1][Mediapart] war es, einen
unabhängigen und qualitativ hochwertigen Journalismus anzubieten. Die Idee
entstand kurz nach der Wahl Nicolas Sarkozys zum französischen Präsidenten.
Mediapart sollte ein Gegengewicht zu dieser neuen und sehr präsenten
Regierung sein.
Wie ist die Unabhängigkeit von Mediapart finanziert?
Die fünf Gründer Edwy Plenel, Marie-Hélène Smiejan, Laurent Mauduit,
François Bonnet und Gérard Desportes, alle ehemals Journalisten bei
etablierten französischen Zeitungen wie Le Monde oder Libération,
investierten privates Kapital in das Projekt. Um die Unabhängigkeit der
Publikation zu sichern, wurde Mediapart als Onlinemagazin konzipiert, da
die Druck- und Vertriebskosten in Frankreich sehr hoch sind. Man wollte
weder nach der Pfeife von Großinvestoren noch nach der von Werbekunden
tanzen. Daher auch die Wahl eines werbefreien Modells, das sich einzig und
allein durch Abonnements finanziert.
Ein gewagtes Unterfangen angesichts einer ausgeprägten Kostenlos-Kultur im
Netz. Was macht Mediapart im Vergleich zu anderen Onlinenachrichtenportalen
so besonders, dass die User bereit sind, dafür zu bezahlen?
Mediapart, das ist Investigationsjournalismus. Unsere Journalisten nehmen
sich für ihre Themen mehr Zeit als in anderen Tageszeitungen. Anstatt dem
Eventkalender zu folgen, der oft von der Politik diktiert wird, erlauben
wir uns eine freiere Themenwahl und setzen auf Hintergrundberichte. Unsere
Inhalte sind daher exklusiv, wir folgen nicht dem Mainstream. Wir
beschäftigen uns viel mit wirtschaftlichen und politischen Themen. Dabei
ist uns die soziale Komponente sehr wichtig. Wenn zum Beispiel ein Gesetz
verabschiedet wird, dass einzig und allein den Großkonzernen zugute kommt,
nicht aber der Allgemeinheit, also den französischen Bürgerinnen und
Bürgern, prangern wir dies an.
Ansonsten interessieren uns auch gesellschaftliche Themen, während der
schlimmsten Krisenzeit brachten wir viele Reportagen über die finanziellen
und sozialen Schwierigkeiten, mit denen die Franzosen konfrontiert waren.
Andere Zeitungen schneiden solche Themen bestenfalls an, wir möchten die
Oberfläche durchdringen und Hintergründe aufzeigen.
Sie selbst sind für den "Club" verantwortlich, die Leser-Community von
Mediapart. Welchen Platz nimmt diese ein?
Wir setzen auf partizipativen Journalismus. Jedes Mitglied kann einen Blog
führen, und es gibt auch kollektive Blogs zu bestimmten Themen. Die
Community ist sehr ausgeprägt, die User stehen in Kontakt, kommentieren
sich gegenseitig. Heute ist die Hälfte der angeklickten Einträge auf
unserer Seite aus den Blogs des Clubs.
Gibt es auch eine direkte Zusammenarbeit zwischen Lesern und Journalisten?
Das passiert nur in Ausnahmefällen. Die Journalisten haben ihre eigenen
Quellen und nicht immer die Zeit, mit den Bloggern zusammenzuarbeiten. Ein
Austausch findet aber in den Kommentaren zu den Artikeln statt. Hier stehen
die Journalisten Rede und Antwort. Die Blogger wiederum wünschen sich mehr
Anerkennung vonseiten der Journalisten. Sie wollen, dass wir ihr Ego
streicheln, aber das ist ja nicht Sinn der Sache.
Andere französische Onlinemagazine, wie zum Beispiel Rue89, haben eine
ähnliche Ausrichtung wie Mediapart, sind aber nicht kostenpflichtig.
Stellen sie für Mediapart eine Konkurrenz dar?
Rue89 wollte von Anfang an ein sehr großes Publikum erreichen. Doch das
Problem ist, dass die Onlinewerbeeinnahmen nicht ausreichen, um die
finanzielle Unabhängigkeit des Magazins zu sichern. Darum sind die
Journalisten von Rue89 auch als Servicedienstleister tätig, zum Beispiel in
den Bereichen Webdesign oder journalistische Ausbildung. Das wiederum lässt
weniger Zeit zum Recherchieren und Schreiben, die Qualität der Publikation
lässt nach.
Und wie steht es um die finanzielle Lage von Mediapart?
Es geht uns gut. Mit etwas Glück erreichen wir noch dieses Jahr die
Rentabilität. Heute haben wir etwa 47.000 Abonnenten. Wenn wir die 50.000
überschreiten, sind wir rentabel.
Diesen Erfolg hat das Magazin aber auch dem Woerth-Bettencourt-Skandal zu
verdanken. Können Sie kurz erläutern, was da passiert ist?
Es waren Tonaufnahmen im Umlauf, aus denen hervorgeht, dass die
L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt unversteuerte Konten in der Schweiz hat,
illegale Wahlkampagnengelder für Eric Woerth (Exfinanzminister), Valéry
Pécresse (amtierende Bildungsministerin) und sogar Staatspräsident Nicolas
Sarkozy zur Verfügung stellt und mit der Familie Woerth auf verdächtige Art
und Weise verstrickt ist. Le Monde und das Magazin Le Point haben diese
Informationen nicht veröffentlicht. Wir aber fanden, dass sie von
öffentlichem Interesse sind, und schrieben darüber.
Der Minister für Arbeit und Gesundheit Xavier Bertrand bezeichnete die
Methoden von Mediapart daraufhin als "faschistisch", da die Aufnahmen ohne
das Wissen von Liliane Bettencourt von ihrem Butler getätigt worden sind.
Wir haben entschieden, die Affäre publik zu machen, weil es sich um
öffentliche Belange handelt wie Steuerhinterziehung und Schwarzgelder in
der Politik. Ein Gericht hat uns übrigens recht gegeben. Xavier Bertrand
haben wir wegen Rufmordes verklagt. Außerdem steht noch ein Prozess gegen
Generalsekretär Claude Guéant aus. Uns wurden Computer sowie sämtliche
Bettencourt-Tonträger aus der Redaktion gestohlen. Journalisten, nicht nur
von Mediapart, wurden abgehört mit dem Ziel, ihre Quellen
zurückzuverfolgen. Wir fanden heraus, dass Guéant davon wusste, und
berichteten darüber, woraufhin er uns verklagte.
Sind Sie an die Grenzen der freien Meinungsäußerung gestoßen?
Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir haben auch gute Anwälte. Unsere
Journalisten arbeiten wie bisher. Da wir diese Unabhängigkeit haben, wollen
wir sie auch nutzen.
30 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.mediapart.fr
## AUTOREN
Alexandra Friedmann
## TAGS
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
## ARTIKEL ZUM THEMA
taz Medienkongress 2011: Das falsche Ende der Revolution
Mit dem Internet kam die Hoffnung auf eine demokratische Kommunikation.
Doch inzwischen ist die Stimmung depressiv. Es geht fast nur noch um
Gewinne.
Selbstverständnis von Journalisten: Die Pressefreiheit liegt schon im Bett
Wer sich um die Unabhängigkeit der Presse sorgt, muss sich mit der
Abhängigkeit der Journalisten befassen. Denn viele von ihnen haben
inzwischen ein Problem mit ihrer Haltung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.