# taz.de -- "Positivliste" gegen Fachkräftemangel: Von der Leyen will Punktesy… | |
> Ursula von der Leyen plant – so wie Schweden und Kanada – ein | |
> Punktesystem für Einwanderer. Es soll gegen den Fachkräftemangel in | |
> Deutschland helfen. | |
Bild: Immer wieder neue Pläne: Ursula von der Leyen im Bundestag. | |
Schweden und Kanada gehören zu den Staaten mit der liberalsten | |
Einwanderungspolitik. Gleichwohl akzeptieren diese Länder nicht jeden | |
Einwanderungswilligen, sondern wählen gut qualifizierte Migranten gezielt | |
aus. Daran will sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nun ein | |
Beispiel nehmen. | |
So arbeitet von der Leyens Ministerium an einer "Positivliste", die Berufe | |
verzeichnet, bei denen die Unternehmen freie Stellen nur schwer besetzen | |
können. Die kanadische Einwanderungsbehörde veröffentlicht eine ähnliche | |
Liste. Auf der noch unveröffentlichten deutschen Version stehen gegenwärtig | |
Ingenieure für Fahrzeugbau, Metallbearbeitung, Elektrotechnik und | |
Maschinenbau, außerdem Ärzte. | |
Für diese Mangelberufe, in denen es zu wenige inländische Bewerber gibt, | |
peilt von der Leyen an, die sogenannte Vorrangprüfung auszusetzen. Heute | |
muss die Bundesagentur für Arbeit langwierig prüfen, ob ein deutscher | |
Erwerbsloser die Anforderungen einer freien Stelle erfüllt, bevor ein | |
Ausländer sie bekommt. Das vereinfachte Verfahren würde sich am | |
schwedischen Modell orientieren. Dort entscheiden im Prinzip die | |
Arbeitgeber, ob sie einen Ausländer einstellen wollen. Interessant ist auch | |
das Vorgehen der Arbeitsministerin: Sie will die neue Politik mittels der | |
Kompetenzen ihres Hauses ohne Gesetzesänderung verwirklichen. So könnte sie | |
ihre Kritiker in der Union umgehen. | |
In Schweden läuft es so: Ausländer, die in dem skandinavischen Land | |
arbeiten möchten, müssen im Prinzip nur ein Kriterium erfüllen. "Es reicht | |
aus, einen Arbeitsvertrag mit einem schwedischen Arbeitgeber vorzulegen", | |
sagt Asa Benteke, die als Referentin für Arbeit und Soziales an der | |
schwedischen Botschaft in Berlin tätig ist. Ist diese Voraussetzung | |
gegeben, muss nur noch die Gewerkschaft prüfen - auch das ist ein | |
schwedisches Spezifikum. | |
Schweden hat dieses Verfahren aus zwei Gründen gewählt. Einerseits ist man | |
als Land mit zahlenmäßig geringer Bevölkerung auf Zuwanderer angewiesen, um | |
den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft zu befriedigen. Andererseits meint | |
man, dass die Unternehmen am besten wissen, wen sie einstellen sollten. | |
Deswegen reicht der Arbeitsvertrag. | |
In der ersten Hälfte dieses Jahres sind so knapp 14.000 zusätzliche | |
Arbeitskräfte nach Schweden eingewandert. Deutschland müsste pro Jahr | |
200.000 Arbeitsimmigranten aufnehmen, um, gemessen an seiner | |
Bevölkerungszahl, einen ähnlichen Zuzug zu erreichen. Tatsächlich aber | |
wandern seit Jahren mehr Menschen aus Deutschland aus als ein. | |
Ähnlich einwanderungsfreundlich wie Schweden ist Kanada. Zwischen Toronto | |
und Vancouver heißen Einwanderer schlicht "Newcomer", wie Kanadas | |
Botschafter in Berlin, Peter M. Boehm, sagt. "In Kanada ist Einwanderung | |
kein neues Thema, es gehört zu unserer Geschichte", so Boehm zur taz. Zum | |
Beispiel: "Meine Eltern sind vertriebene Siebenbürger Sachsen, die nach dem | |
Zweiten Weltkrieg nach Kanada auswanderten - in die Stadt Kitchener, die | |
früher einmal Berlin hieß." | |
Das Einwanderungsministerium in Ottawa veröffentlicht regelmäßig eine Liste | |
mit Qualifikationen, die gesucht werden. Die aktuelle Version verzeichnet | |
beispielsweise Biologen, Klempner, Köche, Kranführer, Sozialarbeiter, | |
Zahnärzte und andere. | |
Potenzielle Einwanderer mit diesen Berufen werden im Rahmen eines | |
Punktesystems bewertet. Wer eine bessere Ausbildung hat oder schon | |
Berufserfahrung mitbringt, erhält viele Punkte. Stark zu Buche schlagen | |
auch die Sprachkenntnisse. Wer die beiden Landessprachen Englisch und | |
Französisch nicht einigermaßen beherrscht, hat schlechte Chancen, im | |
Eignungstest eine ausreichende Punktzahl zu erhalten. Rund 75.000 Ausländer | |
will Kanada 2010 ins Land holen. Schweden und Kanada sorgen so für eine | |
Zuwanderung, die Wirtschaftsforscher auch Deutschland empfehlen. | |
14 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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