| # taz.de -- Tom Tykwers "Drei": "Jetzt wird's kompliziert" | |
| > Tom Tykwers Film "Drei" kommt nun in die Kinos. Er bietet eine Kaskade | |
| > sich überschlagender Ereignisse - und ein wenig zu viel Bildung. | |
| Bild: Zwei von dreien: Szene aus dem Film. | |
| Zwei Männer und eine Frau - den Stoff kennt man eigentlich zur Genüge. Tom | |
| Tykwer aber reicht eine an sich kleine Verschiebung, eine etwas andere | |
| Aufteilung der üblichen Konstellation, um Szenen, die man ähnlich schon | |
| Dutzende Male gesehen hat, erfrischend anders erscheinen zu lassen. | |
| Zum Beispiel der obligatorische Moment der Entdeckung: Die sonst ungemein | |
| abgeklärte Hanna (Sophie Rois) drängt bei ihrem Liebhaber Adam (Devid | |
| Striesow) auf Einlass, weil sie ihm etwas Wichtiges sagen muss - und sieht | |
| dort den eigenen langjährigen Lebensgefährten Simon (Sebastian Schipper) | |
| aus dem Schlafzimmer spazieren. Es kommt zum üblichen verzögerten | |
| Begreifen, zum gewohnten langen Staunen über das Unglaubliche - nur dass es | |
| hier eben noch etwas länger dauert, das Begreifen, und noch etwas | |
| Unglaublicheres hat, das Staunen. | |
| "Jetzt wird's kompliziert", hört man Adam irgendwann sagen, als er weiß, | |
| dass die Heimlichkeit ein Ende hat; selten hat man sich an einer nüchternen | |
| Untertreibung so erfreut. | |
| Man wünschte, der ganze Film wäre so. Das Ausgangsmaterial dafür ist | |
| vorhanden. Sophie Rois spielt ihre Hanna, Fernsehmoderatorin einer | |
| Kultursendung, mit leicht manieristisch-rauem Volksbühnencharme gegen alle | |
| weiblichen Intellektuellenklischees. Man traut dieser trockenen | |
| Dampfplauderin, die im Umgang mit ihrem langjährigen Partner Simon große | |
| Unabhängigkeit verrät, anfangs gar nicht den Willen zur Leidenschaft zu und | |
| ist dann überrascht vom Ernst ihrer Gefühle. | |
| Der unterspielte Witz | |
| Ihren Partner legt der wunderbare Schauspieler Sebastian Schipper etwas | |
| klassischer an: Sein Simon ist nach außen hin der typische Softie-Sohn | |
| einer Alt-68er-Mama: jedem Machogehabe abhold, ewig zögerlich, sehr | |
| reflektiert. Als er sich auf das Verhältnis mit Adam einlässt, treibt ihn | |
| deshalb weniger die Erschütterung seiner bisherigen sexuellen Identität um | |
| als vielmehr die mögliche Peinlichkeit seines eigenen Verhaltens: "Ich weiß | |
| ja nicht, wie das bei euch Schwulen so läuft", versucht er sich | |
| abzusichern. | |
| Dass die wahre Peinlichkeit darin besteht, dass der als "typischer | |
| Schwuler" Angesprochene ein Verhältnis mit der Frau des Sprechers hat, | |
| gehört zu den schönsten - und auf schönste Weise unterspielten - Witzen des | |
| Films. | |
| Den Mann, der unwissentlich eine Affäre mit einem Paar eingeht und sich | |
| dabei allen Klischees entzieht, während er sie in einer Art | |
| Hase-und-Igel-Rennen gleichzeitig alle ausfüllt, gibt der großartige Devid | |
| Striesow mit jener Nonchalance, die verdientermaßen die meisten Lacher | |
| hervorruft. Sein Adam ist eine fast surreal vielseitige Figur: ein | |
| bisexueller Biochemiker, der über die ethischen Seiten der | |
| Stammzellenforschung vorträgt und außerdem noch Fußball spielt, ins Stadion | |
| geht, schwimmt, Judo macht, im Chor singt, Kino, Ausstellungen und Theater | |
| besucht. | |
| Wo immer Hanna und/oder Simon hingehen, Adam ist schon da. Der Fülle seiner | |
| Interessen steht die Kahlheit seiner Wohnung gegenüber. Übrigens: im | |
| Gegensatz zu Hanna und Simon ist Adam ein Ossi. | |
| Seine etwas andere Geschichte von zwei Männern und einer Frau setzt Tom | |
| Tykwer geradezu mit einem Überschuss an Ideen ins Szene: Splitscreen- und | |
| Trickmontagen kommen kaum der Kaskade sich überschlagender Ereignisse | |
| hinterher, die außer Fragen der Partnerschaft auch solche nach Krankheit | |
| und Vergänglichkeit aufwerfen. Manchmal ist das von flotter Leichtigkeit, | |
| vieles aber wird unnötig beschwert von der Bürde der Kulturzitate, die | |
| Tykwer auffährt. | |
| Hesse, Wilson und Islam | |
| Da wird Hesse quotiert, eine Robert-Wilson-Vorführung besucht, über | |
| Embryonenforschung und Islamisierung diskutiert, mithin jedes noch so | |
| beiläufige Bild im kulturellen Horizont kunstsinniger Berliner | |
| Großstadtbürger verankert. Leider ruft diese Bildungshuberei nicht nur ein | |
| gewisses Abwehrressentiment hervor, sie verleiht Tykwers an sich | |
| sympathischem Appell gegen engstirniges Schachteldenken in Sachen sexueller | |
| Orientierung auch einen bedauerlich sterilen Zug. | |
| Der es andererseits aber vielleicht ermöglicht, auch jene zum Schmunzeln zu | |
| verführen, denen ansonsten beim Thema "Sex unter Männern" jedes Lachen | |
| vergeht. In diesem Sinne sollte man über keine Komödie allzu engstirnig | |
| urteilen. | |
| 22 Dec 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
| ## TAGS | |
| Deutscher Film | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Romanverfilmung von Tom Tykwer: Eine Zukunft voller Nichts | |
| In „Ein Hologramm für den König“ gibt Tom Hanks einen abgehalfterten | |
| Geschäftsmann. Er ist auf verzweifelter Mission in Saudi-Arabien. | |
| Deutscher Filmpreis-Nominierungen: Tykwers "Drei" ist Favorit | |
| Tom Tykwers „Drei“ wurde für sechs Goldene Lolas nominiert. „Wer wenn ni… | |
| wir“ und „Vincent will Meer“ sind ebenfalls mit dabei im Rennen um die | |
| Trophäen. | |
| Tom Tykwer über Dreierbeziehungen: "Ankommen finden wir scheiße" | |
| Major Tom Tykwer lotet in seinem neuen Film "Drei" Vor- und Nachteile einer | |
| Menage à trois aus. Letztlich dreht sich der Film vor allem ums Leiden am | |
| Erwachsensein. |