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# taz.de -- Kommentar Neues Jahrzehnt: Und alle spielen mit
> Zu denen, die in Sack-und-Asche gehen und den Veganismus per Verordnung
> durchsetzen wollen, will man nun keinesfalls gehören. Es gibt ja auch
> keinen Grund zu verzweifeln.
"Die Armen", schreibt der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk kürzlich im
Guardian, "die Schutzlosen Asiens und Afrikas, die nach neuen Orten suchen,
um zu leben und zu arbeiten, können nicht auf ewig von Europa ferngehalten
werden. Höhere Mauern, härtere Regeln für Visa und mehr Kontrollen der
Seegrenzen werden den Tag der Abrechnung nur hinauszuzögern."
Das klingt nach Krieg. Aber das europäische Grenz- und Flüchtlingsregime im
Mittelmeer ist martialisch. Deswegen die Verantwortung für die Verbrechen
am Rand der Festung Europa schlicht der Politik zuschieben, ist aber zu
einfach. Die organisierte Kriminalität ist auch deswegen zu einem globalen
Player geworden, weil ganz normale Westeuropäer einen immer größeren Teil
ihrer Freizeit und ihres Geldes dazu verwenden, mit (Zwangs)prostituierten
zu schlafen, sich zu Schleuderpreisen auf den Markt geworfenes Koks
reinzuziehen und die unter teuflischen Arbeitsbedingungen hergestellten
elektronischen Spielzeuge zu kaufen.
Aber wenn die Armen wie die Zombies durch die europäischen Gassen laufen,
dann wird einen der Mitgliedsausweis der lokalen Biokooperative nicht
retten.
Das wiederum klingt natürlich unerträglich pathetisch. Und zu der Fraktion,
die unter Besserwerden In-Sack-und-Asche-Gehen versteht und den Veganismus
per Verordnung durchsetzen möchte, will man nun keinesfalls gehören. Es
gibt ja auch keinen Grund zu verzweifeln.
Nie in der deutschen Geschichte waren die Bedingungen für den Einzelnen,
seine ganz individuelle Vorstellung eines selbstbestimmten Lebens zu
verwirklichen, so gut wie heute. Denn seit 60 beziehungsweise seit 20
Jahren leben wir in einem demokratischen Land - wer das lächerlich findet,
unterhalte sich mit den reflektierenden Angehörigen der Generation, die
noch in der Hitlerjugend fertiggemacht wurde.
Freiheit ist eine schöne Sache - wie Atheismus, wie Sexualität jenseits
eines biologischen Determinismus, wie gelegentliche Verschwendung und
Erfahrungen mit Drogen. Trotzdem bleibt der Zweifel.
Im nächsten Jahrzehnt wird die Frage auf eine Entscheidung zusteuern, ob
wir weiter frei sein dürfen. Was nun mal bedeutet, dass alle - alle! -
mitspielen dürfen. Wer lieber "Schafft sich ab, schafft sich ab" vor sich
hinbrabbeln oder sich in die Luft sprengen will, der soll bitte, bitte noch
ein bisschen mit sich selbst spielen und die anderen in Ruhe lassen. Bis
auch er und sie wieder eine Idee haben, wie es im Leben weitergehen soll.
Kurz und notwendigerweise abstrakt gesagt: Es wäre schön, wenn uns
einfiele, wie wir das nächste Jahrzehnt zu einem der Öffnung machen könnten
- die Eso-Egomanen und die Katholiken müssten sich davon doch auch
angesprochen fühlen.
30 Dec 2010
## AUTOREN
Ambros Waibel
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