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# taz.de -- Kolumne die Kriegsreporterin: So viel Qualm, so wenig Zündstoff!
> Das Orakel "Mediala" sieht kein gutes Jahr 2011 für die gefangenen
> "BamS"-Journalisten. Warum mussten sie zum Witwenschütteln auch extra den
> Iran fliegen?
Hallo, taz-Medienredaktion, ganz leise bitte! Ganz, ganz leise! Das Hämmern
und Wummern will nämlich gar nicht mehr aufhören. Was nützt der beste Helm,
wenn das Weh von innen kommt? Wenn man so viel unter dem Helm reintut, dass
sich im Schädel das allerschönste Punkkonzert abspielt, The Exploited vor
jungem Publikum auftritt, das seine juvenile Kraft einfach irgendwo lassen
muss.
Will sagen: Ich kann noch nicht arbeiten. Diese ganzen Beknackten müssen
noch ein paar Tage ohne mich auskommen. Kannibalisierung bei der ARD,
Sahnerpaule als neuer Sportfunktionär bei der Bunten, Bild-Diekmann, der
nicht Vorstand wird, Christoph-Maria Herbst auf dem ZDF-Totenschiff,
Jugendkanal und der ewige Potenzvergleich der Fernsehanstalten, das x-te
Monika-Piel-ist-neue-ARD-Vorsitzende-Interview, bla bla bla – wie egalbanal
ist das denn? So viel Qualm, so wenig Zündstoff!
Da möchte man seine Atemschutzmaske aufsetzen und noch etwas
weiterschlummern. Zumindest, bis der Kater sich auf seine Pfoten stellt und
abmarschiert. Oder bis mein Lieblingsakrobat Konstantin Neven DuMont
auftaucht, in einem lustigen Clownskostüm, und als dummer August ein wenig
Schwung in die Bude bringt.
Aber ich will ja nicht nur negativ sein. Ich will ja auch an meine
LeserInnen denken. Und vor allem für sie denken. Drum bin ich am 31. zu
einem Medium gegangen – "Mediala – ich sehe Ihre Zukunft. Und mehr" – und
habe es befragt, wie das denn weitergeht, medial gesehen. Leider kann ich
mich kaum mehr erinnern, was es gesagt hat. Oder? Da war doch was?
Durch die Krawallbilder in meinem Hirn, die Pogotänzer, die Bierfontänen,
die aus den Karlsquell-Dosen spritzen, und die feuchten Schwaden der
Ausdünstungen schälen sich die Bilder der Erinnerung heraus: Ich sehe
Mediala, die vor der Kristallkugel sitzt und nichts Gutes sieht. Zumindest
nicht für die beiden BamS-Journalisten, die zu der hier unter dem Begriff
"Witwen-Schütteln" gängigen Praxis der Bild-Leute, Verwandte von Tätern
oder Opfern zu befragen, in den Iran gereist sind. Mit einem
Touristenvisum! Wahrscheinlich zum selben Zeitpunkt, womöglich angereist in
derselben Maschine. Was haben die gedacht? Dass sie als schwules Pärchen
durchgehen, das zur Entspannung ein paar schöne Tage im Iran verbringen
will?
Zwar hatte die Bild am Sonntag mit einem Großaufgebot der üblichen
Verdächtigen jetzt die Freilassung gefordert, doch konnte Mediala kein
Erzittern der iranischen Führung ausmachen. Auch vor Guido Westerwelle soll
die Furcht im ehemaligen Persien nur mäßig sein. Für die Springer-Leute
dürfte dies einen herben Rückschlag bedeuten.
Hatte man in den 90er Jahren von der Ungeübtheit der Ostdeutschen in Sachen
Bild profitiert und sich ein neues Protagonistenumfeld erschlossen, scheint
man jetzt auf den Aufbau Nahost im großen Stil gesetzt zu haben. So viele
Witwen, so viele Schicksale und täglich ein neuer schlimmer Verkehrsunfall
auf der Schotterpiste … Doch aus irgendeinem Grund wollen die blöden Iraner
Springers Spiel nicht mitspielen. Stecken einfach die guten Deutschen ins
Loch. Journalisten auch noch!
Nun mag sich, wem Moral und Ehre etwas bedeutet, eine Gänsehaut bilden bei
der Vorstellung, Bild und "Journalismus" in einem Munde zu führen, mir
macht es auf jeden Fall erneut Kopfschmerzen. Schmerzen, so doll und so
hämmerig-hammerhart, dass ich glaube, ich zieh den Vorhang der Erinnerung
ganz schnell wieder zu und leg mich doch noch mal bis nächste Woche hin.
Also, zurück nach Berlin!
4 Jan 2011
## AUTOREN
Silke Burmester
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