# taz.de -- Kolumne Kriegsreporterin: Hier versagt die K-K-K-Psychologie | |
> Das Editorial des Gala-Chefredakteurs Peter Lewandowski gibt zu denken. | |
> Warum will er uns unbedingt sagen, dass er einen Sohn hat und die Uhr | |
> lesen kann? | |
Hallo, taz-Medienredaktion. Die Betriebsrätin des Heinrich Bauer Verlags, | |
Kerstin Artus, hatte zu den Arbeitsbedingungen bei Bauer gesagt: "Ich | |
möchte nicht wissen, was hier alles an Tabletten, auch an Aufputschmitteln | |
geschluckt wird", und darf das nicht mehr von sich geben. Braucht sie auch | |
nicht, haben durch die diversen Gerichtsverfahren, die Bauer gegen sie | |
anstrengte, alle mitbekommen. | |
Bei Gala, dem Bauer-Blatt für Abiturienten, das Gruner + Jahr herausbringt, | |
werden die Arbeitsbedingungen sehr schön sein - in Anbetracht der Nähe von | |
Inhalt und glamourösen Anzeigen und den üblichen Wegen der Werbekunden, | |
kritische Journalisten durch kostenfreie Zusendungen ihrer Parfüms, ihres | |
Schmucks, Champagners und ihrer Handtaschen von der Güte ihrer Produkte zu | |
überzeugen. Ich möchte also gar nicht wissen, was die dort so an herrlichen | |
Weinbrandbohnen schlucken, wenn ich das Editorial des Chefredakteurs Peter | |
Lewandowski lese, das so beginnt: "Als mein Sohn am Sonntag um 12.28 Uhr | |
fragte, ob er die erste Kerze anzünden solle …". | |
Es war 17.26 Uhr, als ich mich fragte, was Peter Lewandowski sagen möchte. | |
Die vier Seiten einer Nachricht, Sie erinnern sich: Ich-Aussage, | |
Beziehungsaussage, Sach- und Appellebene. Die Ich-Aussage ist klar: Ich bin | |
ein ganzer Kerl, denn ich habe einen Sohn gezeugt. Ein Kind kann ja jeder, | |
aber einen Sohn, das muss man erst mal schaffen. Und: Ich kann die Uhr | |
lesen. Aus diesen beiden Punkten leitet sich auch die Appellebene ab: | |
Leser, sieh, wie toll ich bin! Die Sachebene ist ebenfalls eindeutig: Bei | |
uns werden Traditionen gelebt. Und: Der Vater wird bei allem gefragt, was | |
wichtig ist. Nur die Beziehungsebene gibt mir Rätsel auf: "Leser, ich | |
möchte mein Glück mit Dir teilen?!" - Sie, liebe meine Leser, sehen mich | |
ratlos. Ich bin mit meiner K-K-K-Psychologie am Ende. Irgendwelche | |
Vorschläge? | |
Nachdem ich die Nachrichtenlage zumindest fast geklärt hatte, dachte ich | |
noch etwa vier Minuten darüber nach, woher ich diese Haltung kenne, dieses | |
"Als mein Sohn … um 12.28 Uhr …". Um 17.41 Uhr hatte ich die Antwort: | |
Weihnachten 2005. Als die sechsjährige Jana um 15.11 Uhr versuchte, ihren | |
Hochstuhl zu erklimmen, und ausrief: "Ich komme hier nicht rein mit meinen | |
Lackschühchen!" | |
Wir lassen den historischen Moment des Fernsehens, den Abbruch von "Wetten, | |
dass ..?" um 21.13 Uhr, aus und bleiben bei den tollen Typen. Oder dem, was | |
davon übrig blieb. Thomas Garms, einst Chefredakteur der Hörzu, wollte all | |
jene feuchten Träume, die er bis 18.40 Uhr nicht in Springers | |
Programmpresse unterbringen konnte, nicht ungelesen versickern lassen und | |
gründete das Herrenmagazin Trip. | |
Nach nur vier Ausgaben wurde der Selbsterfahrungsworkshop nun abgebrochen. | |
Die Flaute (Anzeigen) im Männersegment habe ihn voll erwischt, sagte Garms | |
Meedia, vielleicht um 11.07 Uhr. Weil er aber ein richtiger Kerl ist, lässt | |
er seinen Trip nicht im Schlamm liegen. Schon im Frühjahr soll die Reise | |
fortgesetzt werden. Auch wenn die genaue Uhrzeit noch nicht feststeht, ein | |
guter Moment, wurde schon 1930 der Frühling als Zeit des Aufbruchs und des | |
Wachstums besungen: "Die ganze Welt ist wie verhext. Veronika, der Spargel | |
wächst." | |
Bevor ich für heute, um 12.13 Uhr, nach Berlin zurückgebe, sei aus der | |
Abteilung "Rekrutenmund tut Wahrheit kund" noch kurz gemeldet, worüber sich | |
der Nachwuchs bei der Lektüre der Sat.1-Programmvorschau kaputtlacht: | |
"Joachim Kosack, Senior Vice President German Ficktion ProSiebenSat.1 TV | |
Deutschland". Mit den Rekruten-Worten "Was'n das für'n beknackter Titel?!" | |
gebe ich um 12.17 Uhr zurück nach Berlin! | |
8 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |