# taz.de -- Kommentar SPD: Die große Verunsicherung | |
> "Neuer Fortschritt" klingt nach altsozialdemokratischen Zeiten, als die | |
> SPD noch eine Mission hatte. Der Begriff ist muffig und zeigt, wie | |
> unsicher sich die Partei ihrer selbst ist. | |
Die bundesrepublikanische Gesellschaft möchte jenen abgefederten | |
Kapitalismus, auf den die SPD früher mal das Copyright hatte. Trotzdem | |
kriselt die Sozialdemokratie seit Jahren. Das ist auch eine Spätfolge der | |
Schröder-Ära, die auf die Parole "Aufstieg durch Bildung" setzte. Das klang | |
für Aufstiegswillige gut, allerdings wählen die sowieso lieber | |
individualistische Parteien wie Grüne oder FDP. | |
Jene, denen der Aufstieg nicht gelang, verstanden es als Drohung: Wer es | |
nicht schafft, ist eben selbst schuld. Auch beim "vorsorgenden | |
Sozialstaat", der zweiten Sinn-Kreation der Neosozialdemokraten, schwante | |
den meisten Betroffenen, was gemeint war: der Abbau des nachsorgenden | |
Sozialstaats. | |
Sigmar Gabriel versucht nun die Partei vorsichtig aus Schröders langem | |
Schatten zu führen. Da ist es naheliegend, mal ein anderes Programmlabel | |
auszuprobieren. "Neuer Fortschritt" lautet der Slogan, mit dem die | |
SPD-Spitze die Massen begeistern will. | |
In dem Papier finden sich eine Menge vernünftige Ziele: Man will mehr | |
Demokratie in der Wirtschaft, Mindestlohn und Bürgerversicherung, die | |
Reichen sollen mehr für den Sozialstaat zahlen, Geringverdiener weniger. | |
Die SPD will reparieren, was sie selbst mit angerichtet hat. Gut so. | |
Aber "neuer Fortschritt"? Der Begriff stammt aus altsozialdemokratischen | |
Zeiten, als die Partei noch eine historische Mission hatte. Fortschritt ist | |
zu groß für das, was Gabriel und Steinmeier wollen. Und zu vermufft. Es ist | |
ein toter Begriff aus dem Industriekapitalismus, als die Zukunft noch | |
leuchtend, Atomkraft prima und das Wort Klimawandel noch nicht erfunden | |
war. Dass der SPD partout nichts Passenderes einfällt, zeigt, wie unsicher | |
sie sich ihrer selbst ist. | |
11 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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