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# taz.de -- Nach dem Boom im Jahr 2008: Pfusch auf spanischen Sonnendächern
> Während des Booms wurden massenhaft Solaranlagen installiert. Viele
> genügen den Sicherheits- und Qualitätsansprüchen nicht. Und die
> Installateure sind längst verschwunden.
Bild: Solarzellen, installiert bei Barcelona.
2008 war das Jahr der Sonne in Spanien. 2.600 Megawatt installierte die
Fotovoltaikbranche in nur neun Monaten. Bis im Herbst 2008 ein neues Gesetz
in Kraft trat. Die Einspeisevergütung sank um 30 Prozent. Wer seine Anlage
zuvor ans Netz brachte, bekam noch die alte Förderung.
Jetzt, zwei Jahre später, schaut so mancher besorgt auf seinen Solarpark.
Das endgültige Abnahmezertifikat (CAD) steht an. Wer es unterzeichnet,
verliert weitgehend die Garantie gegenüber den Installateuren. Dabei finden
sich überall Indizien für erhebliche Qualitätsmängel bei Komponenten und
Anlagendesign.
50.000 Installationen mit einer Gesamtleistung von 3.500 Megawatt stehen in
Spanien. 80 Prozent der Anlagen wurden 2008 errichtet. Es herrschte
Goldgräberstimmung. Jeder wollte sich so die alte, hohe Einspeisevergütung
für 25 Jahre sichern. Neben den alteingesessenen Marken nutzen auch neue
Fabrikanten - meist aus China - die Gunst der Stunde und drängten auf den
überhitzten Markt. Die Konstrukteure kauften, was sie bekommen konnten.
"Wir haben uns den Magen vollgeschlagen, jetzt müssen wir das Ganze erst
mal verdauen", erklärt Antonio Carrión von PV Diagnosis. Sein Unternehmen
in Madrid untersucht Solaranlagen auf technische Mängel. Viele Käufer
verzichteten auf Garantieansprüche, meist wurden die Solarpanels keiner der
rechtlich vorgesehen Kontrollen unterzogen. "Nur Großanlagenbauer konnten
es sich leisten, Stichproben von Modulen ins Labor zu schicken", sagt
Carrión. Diese Projekte wurden oft von Banken finanziert, die über die
Rendite einer Anlage wachen.
Carrión hat in den letzten beiden Jahren Anlagen mit 70 Megawatt
untersucht. "Wir haben kaum eine Instalation gesehen, die nicht
irgendwelche Probleme aufweist", erklärt er. Vor allem die Solarpanels sind
betroffen. Die Hersteller erhöhten 2008 ihre Produktion, die Qualität blieb
auf der Strecke. In der Branche wird von Fällen geredet, in der Fabriken
ihren Ausstoß um bis zu 50 Prozent erhöhten. Die Panels wurden weder
überprüft, noch wurden sie dem üblichen Alterungsprozess unterzogen.
Nun vergilbt die Kunstharzschicht, in die die Zellen eingebettet sind,
Kontakte oxidieren oder die verschiedenen Schichten des Moduls lösen sich
voneinander und es entstehen Blasen. Außerdem treten vermehrt "heiße
Punkte" auf, die im Extremfall zum Totalausfall des gesamten Moduls führen.
Auch bei dem Design der Gesamtanlagen gibt es erhebliche Mängel: "Viele der
kleinen Installationsunternehmen waren neu im Geschäft. Sie kannten das
Prinzip, aber nicht die Feinheiten beim Bau einer Solaranlage."
Reklamationen des Betreibers sind erst möglich, wenn ein Modul 13 Prozent
Leistung verloren hat. In der Zwischenzeit verliert er ordentlich Geld. Wer
sich auf Module aus Fernost verließ, hat oftmals nur die Papiere des
Importeurs oder Großhändlers in der Hand. Viele dieser Unternehmen
schlossen am Ende des Booms. Branchenverbände und Gewerkschaften
kalkulieren, dass seit Ende 2008 rund 30.000 Arbeitsplätze in der
Fotovoltaikbranche verloren gingen.
Vom spanischen Industrieministerium heißt es lapidar, es habe keine Daten.
Der einzige Anhaltspunkt stamme von den Recycling-Unternehmen für
Solarmodule, die von einem Geschäftsvolumen von 1 Gigawatt in den nächsten
drei Jahren ausgehen, so ein Ministeriumssprecher. "Das wären 30 Prozent
Ausfallrate", sagt Faustino Chenlo, Chef des Labors für Solarpanels im
staatlichen Forschungszentrum für Energie, Umwelt und Technik (Ciemat). Das
sei zu hoch gerechnet. Chenlo schätzt die Quote der Module, die in den
nächsten Jahren ersetzt werden müssen, "auf 5 bis 10 Prozent - immer noch
eine viel zu hohe Zahl".
12 Jan 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
Reiner Wandler
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
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