# taz.de -- Polen empört über Moskauer Bericht: Katyns Schatten über Kaczyns… | |
> Der russische Abschlussbericht zum Absturz der polnischen | |
> Präsidentenmaschine sorgt in Warschau für Empörung. Die Opposition | |
> spricht von einer Verhöhnung Polens. | |
Bild: Die Polen wollen nicht allein an dem Flugzeugabsturz schuld sein. | |
WARSCHAU taz | In Polen kochen die Emotionen hoch. Der niederschmetternde | |
Abschlussbericht der Internationalen Luftfahrbehörde (MAK) in Moskau wird | |
von vielen Polen als "Erniedrigung durch die Russen" wahrgenommen. Der | |
Bericht listet auf über 200 Seiten die Kette fataler Fehler an Bord der | |
polnischen Präsidentenmaschine auf, die im April 2010 zum Flugzeugabsturz | |
im westrussischen Smolensk führten und knapp 100 Menschen das Leben | |
kosteten. | |
Angeheizt wird die mediale Dauerempörung nun von Jaroslaw Kaczynski, dem | |
Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten Polens. "Eine | |
Verhöhnung Polens" sei der Bericht aus Moskau, so der Oppositionspolitiker. | |
Als Absturzursache komme nach wie vor ein politischer Anschlag auf | |
Präsident Lech Kaczynski in Betracht. | |
Zwar versucht Polens Premier Donald Tusk einen kühlen Kopf zu bewahren, | |
doch die Parlamentswahlen im Herbst werfen bereits ihre Schatten voraus. | |
Anhänger der rechtsnationalen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit | |
werfen Tusk "Landesverrat" vor, da er "gemeinsame Sache mit den Russen" | |
mache. | |
Statt die Ermittlungen sofort an sich zu ziehen, habe er sie den Russen | |
überlassen und das "schändliche Urteil" in Kauf genommen. Es sei klar | |
gewesen, dass "die Russen" niemals ihre Schuld zugeben würden. Das zeigten | |
die Erfahrungen mit dem Massaker von Katyn 1941. | |
So fordert nun auch Donald Tusk die Russen zu "Korrekturen" auf: "Wir | |
lassen nicht zu, dass der Bericht einseitig ausfällt", sagte er. "Polens | |
Ziel ist kein Kompromiss, sondern die maximale Aufdeckung der Wahrheit." | |
Zwar habe Polens Regierung keine Einwände, wenn es um die Darstellung der | |
Fehler auf polnischer Seite gehe, doch man erwarte von den Russen, dass | |
auch sie ihre Fehler zugäben. Eine der Schlüsselfragen, die der MAK-Bericht | |
ausspart, betrifft die Frage, ob der Unglücksflug zivilen oder | |
militärischen Charakter hatte. | |
Die Antwort entscheidet über die Schuldfrage. Denn wäre der Präsidentenflug | |
ein militärischer gewesen, hätten die Militärfluglotsen in Smolensk den | |
polnischen Piloten die Landeerlaubnis verweigern können. | |
Die Entscheidungshoheit hätte allein beim Tower in Smolensk gelegen. Der | |
Präsident Polens, der Luftwaffenchef Polens wie auch die polnischen Piloten | |
hätten den russischen Befehlen Folge leisten müssen. Da die russischen | |
Lotsen den Polen keinen "Dreht ab!"-Befehl gaben, wären sie daher am | |
Absturz schuld. | |
Anders fällt die Antwort auf die Schuldfrage bei einem zivilen Flug aus. | |
Denn bei Zivilflügen liegt die Entscheidungshoheit allein bei den Piloten. | |
Die Fluglotsen im Tower können lediglich davor warnen, dass bei dichtem | |
Nebel der Flughafen besser nicht angesteuert werden sollte. Wenn die | |
Piloten dann trotzdem zu landen versuchen, müssen ihnen die Lotsen nach | |
Kräften dabei helfen. Scheitert die Landung, liegt die Hauptschuld | |
aufseiten der Piloten. | |
Nach Ansicht der Kaczynski-Anhänger war das "Chaos im Tower" für das | |
Unglück verantwortlich. Tatsächlich muss der Stress im Tower von Smolensk | |
ins Unerträgliche gestiegen sein, als die polnischen Piloten auf die | |
wiederholten Warnungen nicht reagierten und stur auf Kurs blieben. | |
Schließlich riefen die Lotsen bei ihren Vorgesetzten an und sicherten sich | |
ab: "Sollen wir den Polen erlauben zu landen?" Als Antwort hörten sie: | |
"Wenn die Polen sich das zutrauen, sollen sie es versuchen." Was sie dann | |
auch taten. | |
14 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
## TAGS | |
Russland | |
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