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# taz.de -- Absturz der Kaczynski-Maschine: Unfallhergang auf Polnisch
> Polens Innenminister Jerzy Miller präsentiert einen anderen Unfallhergang
> des Kaczynski-Absturzes als die russischen Behörden. Im Zentrum stehen
> Fluglotsen.
Bild: Polens Innenminister Jerzy Miller stellte den Bericht vor, der die Schuld…
WARSCHAU taz | "Die Lotsen auf dem Flughafen im Smolensk warnten die
polnischen Piloten nicht vor dem falschen Kurs", stellte am Dienstag Polens
Innenminister Jerzy Miller fest. Dies habe zum Absturz der polnischen
Präsidentenmaschine im April 2010 ebenso beigetragen wie die Entscheidung
der Piloten, die Landung trotz schlechten Wetters zu versuchen.
Ohnehin hätten die Lotsen an diesem ungewöhnlich nebligen Tag keinem
einzigen Flugzeug erlauben dürfen zu landen. Sie hätten in jedem Fall einen
Ausweichflughafen benennen müssen. Dies gehe aus dem Regelwerk hervor, das
für den Militärflughafen in Smolensk gelte.
Die Warschauer Präsentation mit bisher unbekanntem Ton- und Filmmaterial
aus Smolensk war die Antwort auf den Abschlussbericht der Internationalen
Luftfahrtkommission (MAK) in Moskau zu den Ursachen der Flugzeugkatastrophe
auf dem Militärflughafen im westrussischen Smolensk.
Dabei waren Polens Präsident Lech Kaczynski und 95 weitere Menschen ums
Leben gekommen. Ermittelt wird in beiden Ländern. In Russland ist es die
MAK und die Staatsanwaltschaft, in Polen die Kommission für
Luftfahrtunfälle unter Leitung des Innenministers Jerzy Miller, eine
parlamentarische Gruppe von Abgeordneten der rechtsnationalen Partei "Recht
und Gerechtigkeit" und ebenfalls die Staatsanwaltschaft.
Polens Regierung hatte erwartet, dass die russischen Ermittlungen in enger
Anstimmung mit der polnischen Seite durchgeführt werden. Aus russischer
Sicht ist dies auch geschehen. Polen hat über 20.000 Seiten aus den
russischen Ermittlungen erhalten. Allerdings waren unter diesen Dokumenten
nicht die Tonaufnahmen aus dem Tower in Smolensk sowie eine ganze Reihe
weiterer Dokumente, um die polnischen Ermittler gebeten hatten.
Als die MAK den vorläufigen Abschlussbericht zu den Unfallursachen nach
Warschau schickte, hoffte Polen, dass die umfangreichen Anmerkungen der
polnischen Ermittler zu weiteren Nachforschungen führen und schließlich in
den gemeinsamen polnisch-russischen Abschlussbericht einfließen würden.
Dazu ist es nicht gekommen. Vielmehr veröffentlichte die MAK in Moskau
einen Bericht, der die Schuld für den Absturz eindeutig auf Seiten der
polnischen Piloten und des angetrunkenen Luftwaffenchefs sah, der während
des Landemanövers eigentlich nichts im Cockpit zu suchen hatte. Was sich am
Unfalltag im Tower von Smolensk abspielte, floss in den MAK-Bericht mit
keinem Wort ein.
Angeblich habe der Stress dort und die Anrufe bei den Vorgesetzen in Moskau
und Twer keinen Einfluss auf den Unfallhergang gehabt. In Polen löste der
Bericht insbesondere bei der rechtsnationalen Opposition größte Empörung
aus. Jaroslaw Kaczynski, der Parteichef der Recht und Gerechtigkeit und
Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten, sprach gar von einer
"Verhöhnung Polens durch die Russen."
Polens liberalkonservative Regierungskoalition versuchte die überbordenden
Emotionen zu dämpfen. Der 230 Seiten umfassende MAK-Bericht sei nicht
falsch, aber unvollständig. Woher Polens Regierung die Tonaufzeichnungen
aus dem Tower von Smolensk hat, ist nicht klar. Die MAK hat sie Polen trotz
mehrfacher Bitten nicht ausgehändigt. Moskau wusste aber, dass Polen im
Besitz der Aufzeichnungen ist und protestierte nicht gegen dessen
Präsentation.
Im Gegenteil: Auch Russland publizierte noch während der in Polen
andauernden Konferenz die Gesprächsaufzeichnungen sowie Telefongespräche im
Tower. Unklar ist auch, ob die Fluglotsen bewusst die falsche Position der
polnischen Piloten bestätigten, oder ob sie die wahre Position des
Flugzeugs im Nebel gar nicht kannten. Offen ist nach wie vor auch die
rechtliche Frage: Hatten die Fluglotsen tatsächlich die Recht, dem
polnischen Präsidenten, der an einer wichtigen Gedenkveranstaltung
teilnehmen wollte, die Landung in Smolensk zu verweigern? Zumal kurz zuvor
ein anderes polnische Flugzeug unter Schwierigkeiten, aber sicher, gelandet
war.
19 Jan 2011
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Polen
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