# taz.de -- Verunglückte Kaczynski-Maschine: Absturzursache weiter unklar | |
> Polens Innenminister veröffentlicht die Abschrift eines Flugschreibers | |
> der verunglückten Präsidentenmaschine. eine Erklärung für den | |
> Landeversuch des Piloten trotz Nebels gibt es aber nicht. | |
Bild: Särge mit Opfern des Flugzeugunglücks. | |
Im Cockpit der polnischen Präsidentenmaschine herrscht noch Sekunden vor | |
dem Absturz angespannte Stille. Obwohl das automatische Warnsystem immer | |
wieder "Pull up! Pull up" (Zieh hoch!) plärrt, bleibt der Flugkapitän | |
schweigend auf Sinkflug. Der Navigator zählt die Meter, die das Flugzeug | |
noch vom Boden trennen: "100 Meter, 90, 80". Doch der Nebel ist zu dicht. | |
Noch ist kein Boden zu sehen. Der zweite Pilot schlägt vor: "Drehen wir | |
ab!" | |
Doch der Flugkapitän schweigt weiter und bleibt auf Sinkflug. "Horizont", | |
warnt der Fluglotse in Smolensk. Der Navigator zählt stoisch die Meter | |
runter: "40, 30, 20." Jetzt ist die Landebahn in Sicht. Doch ein Baum steht | |
im Weg und reißt den linken Flügel der Tupolew ab. Für ein Hochziehen ist | |
es zu spät. Der Flugschreiber zeichnet noch einen Entsetzensschrei auf und | |
einen obszönen Fluch. Dann ist es zu Ende. | |
Gestern publizierten fast alle polnischen Zeitungen die 41-seitige | |
Abschrift des Sprachrekorders der am 10. April abgestürzten | |
Präsidentenmaschine. An Bord waren 96 Menschen, darunter Präsident Lech | |
Kaczynski und seine Frau Maria. Sie wollten an einer Gedenkfeier für die | |
1940 in den Wäldern von Katyn ermordeten polnischen Offiziere teilnehmen. | |
Den Absturz überlebte niemand. Moskau und Warschau hatten eine gemeinsame | |
Untersuchungskommission eingesetzt. | |
Anderthalb Monate nach der Katastrophe stellte Polens Innenminister Jerzy | |
Miller die Abschrift eines der drei Flugschreiber ins Internet. Obwohl sie | |
noch große Lücken aufweist, werden bereits etliche Fragen geklärt. Als | |
Unfallursache kommen weder ein Anschlag noch technisches Versagen in Frage. | |
Unklar bleibt aber zunächst, warum die Piloten alle Warnungen vor dem | |
dichten Nebel in Smolensk ignorierten und die fast unmöglich erscheinende | |
Landung riskierten. Die Maschine war bereits in Warschau mit Verspätung | |
gestartet. Zuvor war die von den Militärpiloten eingeplante Zeitreserve von | |
rund einer Stunde auf Bitten der Präsidialkanzlei gestrichen worden. | |
Als Flugkapitän Arkadiusz Protasiuk dem Protokollchef um 8.26 Uhr sagt: "Es | |
ist Nebel aufgestiegen. Unter diesen Umständen können wir nicht landen. Wir | |
machen einen Landeversuch. Aber wahrscheinlich wird nichts daraus", | |
antwortet dieser: "Da haben wir ein Problem", und verlässt das Cockpit. | |
Kurz darauf meldet sich per Funk der Pilot der Jak-40, der eine Stunde | |
zuvor die Journalisten aus Warschau nach Smolensk geflogen hatte. Auch er | |
warnt vor dem Nebel. Er habe gerade noch landen können, aber die | |
nachfolgende russische Maschine habe bereits abdrehen müssen. | |
Kurz darauf kehrt der Protokollchef in das Cockpit zurück und sagt: "Es | |
gibt noch keine Entscheidung des Präsidenten, was zu tun ist." Da die | |
Abschrift des Flugschreibers ein Lückentext mit vielen | |
"Unverständlich"-Anmerkungen ist, bleibt unklar, ob der Präsident nur die | |
politische Entscheidung treffen sollte, in einem anderen Staat zu landen | |
als geplant. Oder ob er sich die Entscheidung "landen -nicht landen" | |
vorbehalten hatte. Die Suche nach der Unglücksursache geht weiter. | |
2 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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