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# taz.de -- Regierungskrise in Tunesien: Panzer am Flughafen
> Der autoritäre Langzeit-Präsident Zine el Abidine Ben Ali hat die
> tunesische Regierung aufgelöst. Inzwischen hat Ben Ali den
> Ausnahmezustand verhängt, die Arme kontrolliert den Flughafen.
Bild: Inzwischen hat die Armee den Flughafen in Tunis besetzt. Hier sieht man a…
TUNIS dapd/afp | Nach wochenlangen gewaltsamen Protesten hat der tunesische
Präsident Zine el Abidine Ben Ali am Freitag die Entlassung seiner
Regierung angekündigt. Zudem plane er vorgezogene Parlamentswahlen
innerhalb der kommenden sechs Monate, hieß es in dem Bericht der amtlichen
Nachrichtenagentur TAP weiter. Er äußerte sich jedoch nicht, ob er selbst
zurücktreten werde. Bei den Protesten in der Innenstadt der Hauptstadt
Tunis waren am Freitag Schüsse zu hören.
Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur TAP verhängte der
Präsident den Ausnahmezustand. Der Reiseveranstalter Thomas Cook will einen
großen Teil seiner 2000 Urlauber aus Tunesien mit sechs Flugzeugen nach
Deutschland und Österreich zurückbringen. Auf deutschem Boden sollte die
erste Maschine am Freitag um 22.30 Uhr am Düsseldorfer Flughafen landen.
Wie das Unternehmen in Oberursel bei Frankfurt mitteilte, würden die Gäste
dann mit Bus oder Bahn zu den gebuchten Ursprungsflughäfen gebracht.
Betroffen sind Gäste der Thomas-Cook-Marken Neckermann Reisen, Thomas Cook,
Bucher Last Minute und Air Marin.
Nach Angaben aus Flughafenkreisen hat die Armee am späten Nachmittag die
Kontrolle über den Flughafen der Hauptstadt Tunis, Tunis Carthage
übernommen. Der Luftraum sei gesperrt worden. Der französische TV-Sender
BFM berichtete am Freitagabend, eine Maschine der Fluggesellschaft Air
France sei zur Umkehr nach Frankreich gezwungen worden. Am Flughafengelände
seien Panzer aufgefahren, berichteten übereinstimmend mehrere Augenzeugen.
Zuvor hatte die Polizei Tränengas gegen mehrere tausend Demonstranten
eingesetzt, die Ben Alis Rücktritt forderten. Sie skandierten Parolen wie
"Ben Ali - raus" oder "Ben Ali - Mörder". Andere trugen Transparente mit
der Aufschrift "Wir werden nicht vergessen" und erinnerten damit an die
zahlreichen Toten der vergangen Wochen.
Bei den Protesten am Freitag schlugen Polizisten in Zivil mit Stöcken auf
Unbewaffnete ein. Die Demonstranten sangen die tunesische Nationalhymne und
streckten ihre Fäuste in die Luft. Einige kletterten auf das Dach des
Innenministeriums, ein Symbol des autoritären Regimes.
Die Demonstranten protestieren seit rund einem Monat gegen hohe
Arbeitslosigkeit und die Politik des autokratisch regierenden Präsidenten.
"Wir wollen diese Diktatur beenden", sagte eine Demonstrantin. "Der Clan
von Ben Ali sollte vor Gericht gebracht werden. Sie haben uns alles
genommen."
Unterdessen erhöhte sich die Zahl der Opfer der gewalttätigen
Auseinandersetzungen zwischen mehrheitlich jugendlichen Demonstranten und
den Sicherheitskräften. Nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern wurden in
der Nacht auf Freitag 13 Tote gefunden. Zudem seien rund 50 Menschen mit
Schussverletzungen in mehrere Kliniken eingeliefert worden.
Unterschiedliche Angaben über Zahl der Opfer
Über die genaue Zahl der Opfer herrschte indes Unklarheit: Bislang hieß es
von offizieller Seite, bei den Unruhen seien mindestens 23 Menschen ums
Leben gekommen. Die Opposition geht hingegen von mehr als 60 Opfern aus.
Wegen der verschärften Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes kündigte
der Reiseveranstalter Thomas Cook am Freitag die Evakuierung seiner Kunden
an. "Noch heute werden mehrere Sondermaschinen nach Tunesien geschickt, um
die rund 2.000 deutschen Gäste von Thomas Cook abzuholen", teilte der
Veranstalter mit. Bereits in der Nacht auf Freitag flog Thomas Cook rund
200 niederländische Touristen aus Tunesien aus.
Angesichts der schwersten Unruhen seit seiner Machtübernahme vor 23 Jahren
erklärte sich Ben Ali am Donnerstag zu Zugeständnissen bereit. So will er
nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren, wenn auch erst nach Ablauf
seiner Amtszeit 2014. Er kündigte zudem Preissenkungen für
Grundnahrungsmittel an und versprach eine Öffnung des politischen Systems,
wozu auch eine Lockerung der Internetzensur gehört.
Ben Ali fordert Sicherheitskräfte zu Zurückhaltung auf
"Ich habe euch verstanden", sagte Ben Ali in einer Fernsehansprache. "Ich
werde es nicht dulden, dass ein weiterer Tropfen Blut vergossen wird." Er
habe angeordnet, dass Sicherheitskräfte ihre Waffen nur noch dann einsetzen
dürften, wenn sie bedroht würden. Nach seiner Rede waren mehrere zuvor
gesperrte Websites wieder erreichbar, darunter das Videoportal YouTube.
Trotz der Ausgangssperre versammelten sich nach Ben Alis Ansprache
Menschenmengen auf einer Hauptstraße von Tunis und Autofahrer
veranstalteten ein Hupkonzert. Zunächst war unklar, ob es sich um eine von
der Regierung organisierte Demonstration handelte. Am Donnerstagabend wurde
bei Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Tunis nach Augenzeugenberichten
ein Mensch getötet, im Vorort Kram kamen am Abend drei Menschen bei Unruhen
ums Leben.
Das Urlaubsland Tunesien galt bisher als eines der stabileren Länder
Nordafrikas. Ben Ali regiert das Land, seit er bei einem unblutigen
Staatsstreich vor 23 Jahren an die Macht kam, mit eiserner Hand. Viele
kritisieren die Regierung als korrupt und intolerant.
14 Jan 2011
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