# taz.de -- Demos trotz Zugeständnissen Ben Alis: "Danke, aber es reicht" | |
> Tunesiens Staatschef Ben Ali will zwar nicht mehr kandidieren, doch den | |
> Demonstranten reicht es nicht. In Tunis versammeln sich inzwischen | |
> tausende Menschen, um ihn zum Rücktritt zu zwingen. | |
Bild: Aufbegehren gegen den Präsidenten: Demonstranten in Tunis. | |
TUNIS/BERLIN/PARIS dpa/dapd/reuters | Einen Tag nach weitreichenden | |
Zugeständnissen des tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali | |
demonstrierten am Freitag in der Hauptstadt Tunis erneut tausende | |
Demonstranten. Vor dem Innenministerium versammelten sich mehr als 5.000 | |
Menschen, um den sofortigen Rücktritt von Präsident Zine al-Abidine Ben Ali | |
zu fordern. | |
Die Zahl der Menschen auf den Straßen werde minütlich größer, berichteten | |
Augenzeugen. Während sich die überall sichtbare Polizei zunächst | |
zurückhielt, riefen die Teilnehmer der Demonstration: "Ben Ali, | |
verschwinde!" und "Ben Ali, danke, aber es reicht!" Außerdem legten die | |
Mitglieder der einzigen legalen Gewerkschaft rund um Tunis in einem | |
symbolischen Streik die Arbeit für zwei Stunden nieder. | |
Angesichts der blutigen Unruhen in Tunesien hatte Staatschef Zine el | |
Abidine Ben Ali am Donnerstagabend eine Fernsehansprache gehalten. Die | |
Sicherheitskräfte rief er zur Zurückhaltung auf: Er habe das | |
Innenministerium angewiesen, auf "ungerechtfertigte Waffengewalt" zu | |
verzichten, sagte der Präsident. "Ich habe euch verstanden", so Ben Ali. | |
"Ich werde es nicht dulden, dass ein weiterer Tropfen Blut vergossen wird." | |
Nichtsdestotrotz kamen am Donnerstagabend und in der Nacht zum Freitag | |
weitere 13 Menschen ums Leben - bis zum Donnerstag war die Zahl der Opfer | |
von Menschenrechtlern mit mindestens 66 beziffert worden. | |
Krankenhausmitarbeiter bestätigten am Freitagmittag die erneuten Todesfälle | |
der Nachrichtenagentur dpa. | |
Alle Getöteten sollen von Sicherheitskräfte erschossen worden sein. Trotz | |
der Ausgangssperre hatten sich nach Ben Alis Ansprache Menschenmengen auf | |
einer Hauptstraße von Tunis versammelt, Autofahrer veranstalteten ein | |
Hupkonzert. Zunächst war unklar, ob es sich um eine von der Regierung | |
organisierte Demonstration handelte. | |
In seiner Ansprache kündigte Ben Ali außerdem Preissenkungen für | |
Grundnahrungsmittel und eine Öffnung des politischen Systems an, zu dem | |
auch die Aufhebung der Internetzensur gehöre - nach seiner Rede waren | |
mehrere zuvor gesperrte Websites wieder erreichbar, darunter das | |
Videoportal YouTube. Der 74-Jährige deutete außerdem an, bei der | |
Präsidentschaftswahl 2014 nicht mehr zu kandidieren. | |
Er habe nicht die Absicht, die in der Verfassung des Landes festgelegte | |
Altersgrenze von 75 Jahren heraufzusetzen, sagte der Staatschef. Die | |
Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, | |
zielen immer mehr auf das Regime Ben Alis, der das Land seit 23 Jahren | |
autoritär regiert. | |
Am Donnerstag war nach Berichten französischer Medien mit dem 60 Kilometer | |
südlich von Tunis gelegenen Badeort Hammamet erstmals auch ein | |
touristisches Zentrum von den Unruhen betroffen. Mehrere Läden seien | |
geplündert und eine Polizeistation zerstört worden, berichtete der Sender | |
Europe1. Hotels seien aber nicht angegriffen worden, hieß es weiter. | |
Wegen der Unruhen hat das Auswärtige Amt in Berlin von Reisen in das | |
nordafrikanische Touristenland abgeraten. Reiseveranstalter schätzen, dass | |
sich etwa 10.000 Urlauber in Tunesien aufhalten. | |
Bislang waren tunesische Urlaubsorte von den Unruhen verschont geblieben. | |
Reiseveranstalter bieten dennoch kostenlose Umbuchungen an. Die Konzerne | |
Tui und Thomas-Cook erklärten, das dies zunächst für alle Anreisen bis | |
einschließlich 24. Januar gelte. Nach Ansicht von Experten können | |
Tunesien-Urlauber ihre Reise wegen der aktuellen Lage auch kostenlos | |
stornieren. Der Veranstalter müsse den Reisepreis erstatten. | |
Die von der Staatsführung verhängte nächtliche Ausgangssperre hat bislang | |
nur wenig Wirkung gezeigt. In Tunis lieferten sich am Donnerstag erneut | |
Polizei und etwa 300 Demonstranten Straßenschlachten. | |
Die EU drängt Tunesien zu Reformen. Dies sei angesichts der Unruhen das | |
Hauptziel des Dialoges mit dem Land, sagte eine Sprecherin der | |
EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. Die EU unterstütze alle | |
Initiativen, die eine demokratische Öffnung Tunesiens sowie den Respekt der | |
Grundrechte förderten. | |
14 Jan 2011 | |
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