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# taz.de -- Antisemitismusverdacht bei Wikileaks: Kontaktmänner im Zwielicht
> Wikileaks-Verbindungsleuten in Russland und Schweden wird Antisemitismus
> vorgeworfen. So sammelt Israel Shamir Spenden "gegen die
> Propagandamaschine der Zionisten".
Bild: Umtriebiger Mann: Israel Shamir auf seiner Webseite.
STOCKHOLM taz | "Assanges extremistische Angestellte" titelte das
[1][US-Monatsmagazin The Reason] und von "dubiosen Mitarbeitern" spricht
auch ein vom [2][Freitag] übernommener Artikel des
[3][Guardian-Journalisten Andrew Brown]. Gemeint sind Israel Shamir, der
Wikileaks-Verbindungsmann für Russland, und dessen Sohn Johannes Wahlström,
der zwischen Wikileaks und schwedischen Medien vermittelt.
Wer sind diese Verbindungspersonen, von denen es laut Wikileaks-Chef Julian
Assange "Hunderte von Journalisten aus aller Welt" geben soll - und bei
denen zumindest in Bezug auf Israel Shamir der isländische
Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson einräumt, dieser sei eine
"kontroverse Person"?
Israel Shamir, geboren 1947 in Russland und 1969 nach Israel übergesiedelt,
hat seinen Hauptwohnsitz seit 2005 in Schweden. Er veröffentlichte in der
Vergangenheit in linken wie rechtsextremen Publikationen Texte, vor allem
über den Israel-Palästina-Konflikt. Auf seiner Website
[4][israelshamir.net] präsentiert er sich als "russisch-israelischer Autor"
und seit Neuestem als Assange-Fan. Schwedens antirassistische Publikation
Expo wirft ihm vor, er "flirte konstant mit traditionell antisemitischen
Vorstellungen über die Macht der Juden in der Weltpolitik und anderen
Konspirationstheorien" und würde seit 2001 "antisemitische Texte im
Internet verbreiten".
Auf dem deutschsprachigen Teil seiner Webseite bittet Shamir um
[5][finanzielle Unterstützung] für den Kampf "gegen die Propagandamaschine
der Zionisten" und präsentiert [6][einen Text], den er für Horst Mahlers
"Deutsches Kolleg" übersetzen ließ. Im August 2005 wurde er für die
3sat-Sendung "Kulturzeit" interviewt, Thema war die Bedeutung des damaligen
Abzugs der Israelis aus dem Gazastreifen für den Friedensprozess zwischen
Israel und Palästina.
Danach teilte die "Kulturzeit"-Redaktion mit, sie sei mit "Verlauf und
Ergebnis des Interviews nicht zufrieden" gewesen und habe das Interview von
ihrer Internetseite gelöscht. Nach der Sendung hätten sich "unsere
Informationen über Israel Shamir in einer Weise verdichtet, die es außer
Frage stellt, dass er in Zukunft noch einmal in 'Kulturzeit' zu Wort kommen
wird".
Auch in Schweden gibt es um den dortigen Presseverbindungsmann von
Wikileaks, den 29-jährigen freiberuflichen Journalisten Johannes Wahlström,
eine Kontroverse. Teils arbeitet er selbst journalistisch mit dem
"Cablegate"-Material und taucht im Abspann einer vielgelobten
Wikileaks-Dokumentation des schwedischen öffentlich-rechtlichen
Fernsehsenders SVT als Rechercheur auf. Teils gibt er aber auch Dokumente
an ausgewählte Redaktionen weiter und erhält nach deren Auskunft dafür ein
Informationshonorar.
Die Auswahl dieser Medien, die er in Absprache mit Wikileaks oder
selbstständig getroffen hat, löste prompt eine Debatte aus. Denn Wahlström
belieferte ausschließlich SVT und Medien des norwegischen
Schibsted-Verlags. Bonnier, Schwedens führendes Verlagshaus, schaut in die
Röhre. Und Bonnier gehört einer jüdischen Familie an.
Frühere Aktivitäten Wahlströms als Friedensaktivist in Israel, einige
israelkritische Artikel aus seiner Feder und seine zwischenzeitliche
Mitarbeit beim [7][International Middle East Media Centre] – für viele
Kritiker lag nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen alldem und dem
Ausschluss Bonniers von den Cablegate-Dokumenten gebe.
Belastbare Belege für diese Vorwürfe gibt es nicht. Im Gegenteil wäre es
eher erstaunlich gewesen, wenn der linke Journalist Wahlström, der schon
vorher für die Schibsted-Zeitungen schrieb, in Sachen Wikileaks mit Bonnier
zusammengearbeitet hätte. Denn das Verlagshaus wird wegen seiner
marktbeherrschenden Stellung im Medien- und Kultursektor von Schwedens
Linken stets kritisiert.
Der Antisemitismusvorwurf gegen Wahlström kommt auch nicht von Bonnier
selbst. Wohl aber Fragen, ob Wikileaks sich einen Gefallen tue, mit ihm
zusammenzuarbeiten. Es gab Antisemitismus-Anklagen gegen Wahlström, als
dieser 2005 in der Zeitschrift Ordfront einen Text mit dem Titel
[8]["Israels Regime steuert schwedische Medien"] veröffentlichte und darin
jüdische Organisationen des Lobbyismus in diesem Zusammenhang bezichtigte.
Erhebe man allein deshalb den Vorwurf, er verbreite ein "Juden steuern die
Welt"-Bild, verwechsle man Israelkritik und Antisemitismus, wurde er in der
damaligen Debatte verteidigt.
Mitte Dezember vom schwedischen Rundfunk auf die Antisemitismusvorwürfe
gegen Israel Shamir angesprochen, hatte Wikileaks-Sprecher Hrafnsson nicht
mehr als ein "No comment" übrig. Kurz vor Weihnachten teilte dann aber die
russische Wochenzeitung Novaja Gaseta mit, dass sie nun die Publikation
sei, mit der Wikileaks in Russland primär zusammenarbeiten werde.
Diese Rolle hatte bis dahin das zur "Expert"-Mediengruppe gehörende Magazin
Russki Reporter unter Hinweis auf eine Kooperation mit Israel Shamir für
sich beansprucht. Ob diese Anzeichen, die dafür sprechen, dass Wikileaks
die medialen Vertriebswege in Russland ändern könnte, tatsächlich mit der
Kritik an Shamir zusammenhängen, darüber kann derzeit nur spekuliert
werden.
Julia Latynina, eine Mitarbeiterin der Nowaja Gaseta, kritisierte kürzlich,
die Wikileaks-Dokumente würden von der "kremlfreundlichen" Publikation, in
der sie bislang veröffentlicht wurden, teils inkorrekt wiedergegeben, und
fragte: "Was bedeutet es, dass sich Assange durch einen Extremisten
vertreten lässt?"
17 Jan 2011
## LINKS
[1] http://reason.com/archives/2010/12/14/the-assange-employees
[2] http://www.freitag.de/politik/1051-wikileaks-mitarbeiter-den-antisemitismus…
[3] http://www.guardian.co.uk/commentisfree/andrewbrown/2010/dec/17/wikileaks-i…
[4] http://israelshamir.net/
[5] http://www.israelshamir.net/DonationsGr.htm
[6] http://www.israelshamir.net/German/zog-german.html
[7] http://www.imemc.org
[8] http://www.ordfront.se/Ordfrontmagasin/Tidigare
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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