# taz.de -- Kommentar Italiens Mafia: Auch ein deutsches Problem | |
> Wir sollten uns unsere eigene Arroganz und Ignoranz gegenüber diesem | |
> organisierten Verbrechen eingestehen. | |
Das Wort "Mafia" umgibt im Alltag oft ein popkultureller Glamour. Doch die | |
italienische Mafia von heute ist keine romantische Angelegenheit: Für sehr | |
viele Menschen, die in Kampanien, in Kalabrien und auf Sizilien - also | |
mitten in Europa - leben, ist sie ein Albtraum, der ihr Leben und das ihrer | |
Familien zerstört. Wer sich vor Ort gegen ihre Organisationen auflehnt, | |
geht ein großes persönliches Risiko ein - und hat schon allein deswegen | |
unsere Unterstützung verdient. | |
Dazu brauchte es im Grund nicht viel: ein wenig mehr und kontinuierlichere | |
Aufmerksamkeit durch Medien, Politik und Polizei. Das Eingestehen möglicher | |
eigener Arroganz und Ignoranz gegenüber diesem organisierten Verbrechen. | |
Und ein bisschen Nachdenken über das Faszinosum "Mafia", das hunderte | |
Hollywoodfilme - und keinesfalls nur schlechte - mit geprägt haben. | |
In Deutschland war das bisher schwer zu vermitteln. Nicht nur, weil Italien | |
fern und die Mafia als exotische Folklore erschien. Sondern auch, weil sich | |
in ihrer Skepsis gegenüber dem Staat vom Linksradikalen bis hin zum | |
überhitzten FDP-Wähler lange viele einig wussten. Erst seit der weltweiten | |
Finanzkrise und dem massenhaften Verscherbeln öffentlichen Eigentums, | |
euphemistisch "Privatisierung" genannt, ändert sich das. Immer drängender | |
stellt sich die Frage, wer eigentlich womit - und mit welchen Mitteln - das | |
Geld verdient, mit dem öffentlicher in privaten Besitz übergeht. | |
Mehr als 90 Millionen Euro soll die Mafia hierzulande seit der | |
Wiedervereinigung allein in Hotels, im Baugewerbe oder in Immobilien | |
investiert haben. Und der Mord an sechs Italienern in Duisburg vor drei | |
Jahren durch ein Killerkommando hat gezeigt, dass diese Kriminalität längst | |
auch ein deutsches Problem geworden ist. Dagegen regt sich in Deutschland | |
nun ziviler Widerstand. | |
Der italienische Staatsanwalt Vicenzo Macrì sagt: Das Geld aus dem | |
Drogenhandel untergräbt unsere Demokratie. Und er fordert: Wer sich mit | |
Drogen wie Kokain kaputtmachen will, soll sich das Zeug in der Apotheke | |
kaufen. Ihre Legalisierung würde die Mafia-Syndikate eindämmen. Nicht nur | |
in Italien sind Ermittler deshalb ganz offen dafür - auch in Deutschland | |
gibt es solche Stimmen. | |
Die Politik aber schweigt. Dass es auf diesem Feld keine einfachen | |
Antworten gibt, kann aber keine Ausrede dafür sein, die Hände in den Schoß | |
zu legen. | |
19 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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