# taz.de -- Karriere, Kinder und Ehe: Macht mal, Supermädels | |
> Schwangere Ministerinnen, die ihre Kinder eher so nebenbei zu kriegen | |
> scheinen, erzeugen Rollendruck für normale Frauen. Da gilt es, cool zu | |
> bleiben. | |
Bild: Karriere, Kinder, Ehe und dabei noch toll aussehen - kein Problem, es ist… | |
BERLIN taz | Jetzt also auch die Familienministerin. Das musste sein: Mit | |
(noch!) kleinem Bauch schreitet Kristina Schröder durch das | |
Parlamentsgebäude. In den Medienberichten sind darunter die Fotos anderer | |
Politikerinnen zu sehen, die gleichfalls Kinder bekamen und damit nicht von | |
der öffentlichen Bildfläche verschwanden: SPD-Generalsekretärin Andrea | |
Nahles, die französische Exministerin Rachida Dati, die spanische | |
Verteidigungsministerin Carme Chacón, die Europaabgeordnete Silvana | |
Koch-Mehrin (FDP). | |
Na also, geht doch! lautet die Botschaft dieser Bilder. Karriere, Kinder, | |
Ehe und dabei noch toll aussehen - kein Problem, es ist das Modell der | |
Zukunft. Während früher Frauen aus der Öffentlichkeit, besonders aus der | |
Politik, ins Private verschwanden, wenn sie Kinder gebaren, haben sich die | |
Dinge umgekehrt. Die Mutterschaft von Politikerinnen, die Frage, wie sie | |
Karriere und Kinder vereinbaren, wird öffentlich verhandelt. | |
Die neuen Superfrauen in der Politik verkörpern dabei eine Art | |
Three-in-One-Paket, wo Karriere, Mutterschaft und Liebesglück strahlend | |
verschmelzen. Das Problem ist nur: Bei normal nichtprominenten Frauen | |
erzeugen diese Biografien Schwindelgefühle. Denn die allermeisten Frauen | |
können diese Verkoppelung gar nicht leisten. | |
Verkörpern die neuen Vorbilder also feministischen Fortschritt? Oder | |
gaukeln sie etwas vom erfolgreichen Frauenleben vor, während Millionen von | |
Geschlechtsgenossinnen sich weiterhin durch die übliche weibliche | |
Opferkombi kämpfen mit unterbezahlten Berufen, unzuverlässigen | |
Lebenspartnern, einem schwierigen Scheidungsrecht und drohender | |
Altersarmut? Zeigt sich hier nur eine neue Form der Elitebildung unter | |
Frauen? Oder sollten wir neidlos erkennen, dass es einfach toll ist, wenn | |
Politikerinnen eben alles schaffen: Erfolg, Kinder, Beziehung? | |
Dass die Sache unter feministischen Gesichtspunkten eher skeptisch zu | |
betrachten ist, zeigt sich an der bildhaften Inszenierung der neuen | |
Vereinbarkeit. Super sehen sie aus, die Schwangeren und erfolgreichen | |
Promimütter. Schön, sportlich, strahlend, energiegeladen. Und schon kurz | |
nach der Geburt laufen sie wieder rank und schlank durch die Gegend, so wie | |
Frankreichs Exjustizministerin Rachida Dati. Man muss es ja nicht so weit | |
treiben wie die Schauspielerin Nicole Kidman, die ihr jüngstes Kind gleich | |
von einer Leihmutter austragen ließ, angeblich auch, um ihre Figur nicht zu | |
ruinieren. | |
Die ganze Fitness der Mütter, alles, was vordergründig so körperbetont | |
daherkommt, ist in Wirklichkeit Ausdruck von Körperfeindlichkeit: Eine | |
Schwangerschaft ist kein Fitnesstest, wo nur diejenigen auseinanderwabbeln, | |
die leider nicht über ein festes Bindegewebe und keinen Sportsgeist | |
verfügen, also irgendwie undiszipliniert leben. Eine Schwangerschaft ist | |
ein einschneidendes Körpergeschehen. Da hängt sich ein zweiter Organismus | |
an die Mutter dran und nistet sich ein. Da wird gedrückt, geschoben, später | |
dann gesaugt und gesabbert. Es hat schon seine Gründe, warum dieses | |
Geschehen eigentlich immer ein Privates, Intimes war. | |
Als Ideal in der Öffentlichkeit gilt aber immer noch der feste, tatkräftige | |
Körper, auch in der medialen Inszenierung der Mutterschaften der neuen | |
weiblichen Elite. Das Weiche, Depressive wird geleugnet, ist tabu. Nur mal | |
als Beispiel: Hat schon mal jemand öffentlich erörtert, wie es eigentlich | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel schafft, neben ihrem Amtsstress die | |
Wechseljahre zu bewältigen, in die Frauen unweigerlich jenseits des 50. | |
Lebensjahres geraten? Ein Outing, in dem die Kanzlerin der Springer-Presse | |
ihr Geheimrezept gegen Hormonabfall, Schwitzattacken und Abgeschlagenheit | |
verriete, wäre ein Auflagenerfolg und der GAU für die Kanzlerin. | |
Stattdessen geistert der Anspruch an Superfitness der Frauen durch die | |
Medien und verschärft sich noch, wenn die Mutterschaft als Testprogramm für | |
körperliche und zeitliche Disziplinierung dazwischenfunkt. | |
Familienministerin Schröder (CDU) ließ der Bild ausrichten, sie werde in | |
der gesetzlichen Mutterschutzzeit von 14 Wochen zwar aussetzen, ihr Amt | |
wolle sie aber nicht ruhen lassen, sondern von daheim weiterführen. | |
Das Bild der stillenden Ministerin, die nebenbei noch Akten gegenzeichnet, | |
Geschäftstelefonate führt und ihr Baby dann wieder abgibt an die Nanny - | |
dieses Elitemodell hat auch etwas Ätzendes für Frauen, die eigentlich ein | |
anderes Leben führen möchten oder diesen Lebensstil gar nicht finanzieren | |
können. | |
Sie können sich kein Vollzeitkindermädchen leisten und haben vielleicht | |
auch nicht die Nerven für so eine Existenz. Vielleicht wollen sie mehr Zeit | |
mit ihrem Baby verbringen, das Kleine durch den sonnigen Park schieben und | |
die ersten Jahre in Teilzeit arbeiten. Die Zeit mit einem Kind macht nur | |
ein Fünftel der mütterlichen Lebenszeit aus. Es ist sinnvoll, diese Jahre | |
auszukosten. | |
Dem Rollenstress durch die neuen Supermädels kann man also cool begegnen - | |
Familienministerin Schröder kann bewundert, muss aber nicht beneidet | |
werden. Sie kann es sich politisch kaum leisten, ihr Amt nun aus familiären | |
Gründen hinzuschmeißen, nach dem ganzen Gerede auch in der Union über die | |
tolle Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Schwach sähe sie auch aus neben | |
der Vorgängerin, Kollegin und siebenfachen Mutter Ursula von der Leyen | |
(CDU). | |
Doch es gibt interessante Verschiebungen: SPD-Generalsekretärin Andrea | |
Nahles, Mutter einer Tochter, kündigte an, dass ihr Mann, ein | |
Kunsthistoriker, hauptsächlich die Betreuung der Neugeborenen übernehmen | |
werde. Karrierefrauen brauchen häusliche Männer, die sich in dieser Rolle | |
nicht klein fühlen. Zu Supermädel passt ein neuer Typ von Supermann. | |
Stützend, eher unsichtbar. Auch eine künftige Spezies. | |
21 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## TAGS | |
Familie | |
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