# taz.de -- Frauen fordern Elternzeit für Gabriel: „Sie haben die Chance ...… | |
> Mehr Sandkasten statt Bundestag: In einem Brief fordern Frauen von | |
> SPD-Parteichef Gabriel eine Vorbildrolle als Vater. In der Parteizentrale | |
> ist man wenig begeistert. | |
Bild: Die SPD-Frauen fordern Sigmar Gabriel auf, mehr Zeit im Sandkasten zu ver… | |
BERLIN taz | „Wie schnell werden Sie nach der Geburt Ihres Kindes wieder | |
Ihren Beruf aufnehmen?“ „Machen Sie sich Sorgen, dass Ihr Job | |
Begehrlichkeiten weckt, wenn Sie die Berufsarbeit unterbrechen?“ Wem werden | |
solche Fragen gewöhnlich gestellt? Frauen. | |
Jetzt drehen einige von ihnen den Spieß einfach um und fragen einen Mann, | |
der Anfang April zum zweiten Mal Vater wird: Die oben genannten Fragen | |
richten sich an SPD-Chef Sigmar Gabriel. | |
In einem offenen Brief, der der taz vorab vorliegt, wollen zehn | |
Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen, darunter die | |
frühere SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin Gesine Schwan, von | |
Gabriel wissen, wie er sich künftig seine Rolle als Vater und | |
Spitzenpolitiker vorstellt. Wenn Frauen Kinder bekommen, müssen sie damit | |
rechnen, beruflich aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Mutterschaft und | |
Karriere schließen sich in Deutschland vielfach noch immer aus. | |
## Als frisch gebackener Vater im Wahlkampf | |
In dem Brief, den Anna-Katharina Meßmer (SPD), die Piratin Laura Sophie | |
Dornheim und die Künstlerin Ursula Thurmair initiiert und am Montagabend an | |
den SPD-Vorstand geschickt haben, wollen die Frauen auch wissen, ob sich | |
Gabriel als „frisch gebackener Vater die Leitung des Bundestagswahlkampfes“ | |
zutraue. Im Herbst 2013 sind Bundestagswahlen, die Parteien rüsten | |
allmählich zum Wahlkampf. Sigmar Gabriel soll für die SPD dabei eine | |
wichtige Rolle spielen. | |
Es ist das erste Mal, dass ein hochrangiger Politiker sich öffentlich | |
solche Fragen gefallen lassen muss. Politikerinnen hingegen kennen das zur | |
Genüge. Kristina Schröder (CDU) zum Bespiel. Als die Familienministerin als | |
erste Ministerin in Deutschland im Sommer vergangenen Jahres ihre erste | |
Tochter gebar, schickte sie alle JournalistInnen wieder vor die Tür, die | |
wissen wollten, wie sie Familie und Beruf vereinbaren wolle. | |
Oder Andrea Nahles. Vor einem Jahr wurde die SPD-Generalsekretärin Mutter | |
einer Tochter. In einem Interview mit der Frauenzeitschrift Brigitte sagte | |
sie, dass sie nur eine zweimonatige Auszeit nehme. Darauf bekam sie heftige | |
Reaktionen – vor allem von Männern. Die nannten sie „Rabenmutter“ und | |
„karrieregeil“. Dabei hatte Nahles das ausgesprochen, was jeder Politiker | |
und jede Politikerin ahnt: „Mein Job ist einer, der Begehrlichkeiten | |
weckt.“ | |
## Intellektuell unterkomplex | |
Im Berliner Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale, wollte man sich | |
offiziell nicht zu dem Brief an Gabriel äußern. Die Idee habe Charme, hört | |
man aus SPD-Kreisen, aber die Fragen seien eher „intellektuell | |
unterkomplex“. | |
Die SPD versteht sich als „Familienpartei“: „Frauen und Männer sollen | |
Familienarbeit und Berufstätigkeit partnerschaftlich vereinbaren können. | |
Dies entspricht heute auch mehrheitlich den Wünschen von Eltern.“ So steht | |
es im Papier „Familienland Deutschland“, das der Parteitag im vergangenen | |
Dezember verabschiedet hat. „Die rhetorische Aufgeschlossenheit in der SPD | |
ist groß. Aber sie stellt sich im persönlichen Verhalten mancher | |
SPDlerInnen leider nicht immer ein“, sagt dazu die SPD-Frau Meßmer. | |
Die Autorinnen fordern Gabriel direkt auf: „Sie haben eine wunderbare | |
Chance, als Vorsitzender der SPD das Leitbild einer partnerschaftlichen | |
Familie öffentlich wirksam vorzuleben und ihm damit neue Wege zu bahnen. | |
Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Chance wahrnehmen. Dürfen wir uns auf | |
Ihre Antwort freuen?“ Ob Gabriel antworten wird, ist jedoch sehr ungewiss. | |
Piratin und Unterzeichnerin Dornheim sagt: „Keine Frau kann sich aussuchen, | |
ob sie so was gefragt wird und ob sie antworten muss. Aber Männer schon. | |
Das geht nicht.“ | |
Wird sich Gabriel für das Baby Zeit nehmen? Das ist ebenfalls ungewiss. | |
Bundestagsabgeordnete und MinisterInnen haben keinen Anspruch auf | |
Elternzeit. Gabriel könnte sich so um seine Elternzeit herummogeln: Er ist | |
nicht nur Parteichef, sondern auch Abgeordneter. | |
27 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Feministischer Kampftag | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Polit-Eltern: Sommer mit Marie | |
Jeder Bürger darf Erziehungszeit nehmen – ein Abgeordneter nicht. Trotzdem | |
nehmen sich manche die Zeit für Kinder: SPD-Chef Sigmar Gabriel zum | |
Beispiel. | |
Ministerin ehrt „Spitzenväter“ am Frauentag: Frau Schröder, das war ... S… | |
Unsensibel oder tollpatschig? Kristina Schröder bleibt sich treu: Zum | |
Weltfrauentag kümmert sich die Frauenministerin um die „Spitzenväter des | |
Jahres“. | |
Familienministerium zu Expertenbericht: Elternzeit wird nicht gekürzt | |
Nur noch zwei Jahre Babyzeit statt wie bisher drei, hat eine Expertengruppe | |
vorgeschlagen. Das Familienministerium wiegelt ab: Das sei nicht | |
praktikabel. | |
Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Männer an die Buggys | |
Bei den Bielefelder Stadtwerken arbeiten vor allem Männer, doch Vatersein | |
war dort trotzdem nicht leicht. Also holte sich die Firma Hilfe und wurde | |
zum Exot in der Stadt. | |
Karriere, Kinder und Ehe: Macht mal, Supermädels | |
Schwangere Ministerinnen, die ihre Kinder eher so nebenbei zu kriegen | |
scheinen, erzeugen Rollendruck für normale Frauen. Da gilt es, cool zu | |
bleiben. |