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# taz.de -- Das Verleihsystem von Bayer Leverkusen: Das Spiel mit den Spielern
> 24 Spieler sind in der Bundesliga als Leihgaben unterwegs. In Leverkusen
> betreibt man das Leihgeschäft systematisch – sogar ein eigener Trainer
> ist dafür abgestellt.
Bild: Leverkusener gegen Leverkusener: Jens Hegeler vom 1. FC Nürnberg springt…
Kaum einer hat es bislang so recht bemerkt: Bayer Leverkusen dominiert die
Bundesliga auf seine ganz eigene Weise. An diesem Wochenende tritt das Gros
ihrer Profis in Mönchengladbach an. Aber auch bei den Begegnungen von
Mainz, Freiburg, Nürnberg, Hannover, Kaiserslautern, und St. Pauli ist
Bayer Leverkusen mit von der Partie.
Diese Klubs haben sich nämlich allesamt Spieler vom Werksverein geliehen.
Sieben Profis hat Leverkusen insgesamt an die Ligakonkurrenten ausgeborgt.
So viele wie kein anderer Bundesligist. Weitere zwei sind bei Zweitligisten
untergebracht und auf vier Spieler in Liga eins und zwei besitzt Leverkusen
eine Rückkaufoption. Nahezu unbeachtet hat sich der Verein aus dem
Rheinland eine stille Reserve zugelegt. In den letzten Spielzeiten nahmen
die deutschen Klubs vermehrt die Option des Leihgeschäfts wahr. Derzeit
sind in der Ersten Bundesliga 24 Leihspieler aktiv.
So systematisch wie Bayer Leverkusen hat sich jedoch bisher noch kein
Erstligist diesem Geschäftszweig gewidmet. "Es war eine strategische
Entscheidung, die wir vor etwa zweieinhalb Jahren getroffen haben", erklärt
Michael Reschke, der Manager von Bayer Leverkusen.
Durch die verbesserte Ausbildung in Deutschland gäbe es seit einigen Jahren
sehr viele Talente, die schon in sehr jungem Alter sehr weit sind. Da es
aber bei einem Spitzenteam wie Bayer Leverkusen schwieriger sei, sich in
die erste Elf zu spielen, wolle man mit der Ausleihe den Begabten aus dem
Nachwuchs Spielpraxis auf hohem Niveau bei anderen Vereinen ermöglichen.
## Warten auf den richtigen Reifegrad
Zum anderen nutzt Leverkusen dieses kostengünstige Vertragsmodell, um auf
vielversprechende Fußballer, die man im Ausland entdeckt hat, bei
entsprechendem Reifegrad zugreifen zu können. So hat man derzeit den
19-jährigen Kroaten Zvonko Pamic beim SC Freiburg und den 24-jährigen
Japaner Hajime Hosogai beim FC Augsburg geparkt.
Mit Argusaugen hält der Verein seine Leihgaben im Blick. Jugendtrainer Dirk
Kunert wurde ausschließlich mit der Aufgabe betraut, sich um die
Bayer-Spieler in der Fremde zu kümmern. Manchmal besucht er an einem
Wochenende bis zu drei Bundesligaspiele. Während seiner Reisen pflegt er
nicht nur den Kontakt mit den Bayer-Zöglingen, sondern informiert sich
stets bei Trainern und Managern über deren Entwicklungsstand.
Michael Reschke sagt: "Der Austausch mit den Leihvereinen ist gut. Wir
wählen diese auch bewusst für unsere Spieler aus, weil wir von deren
Ausbildungsarbeit überzeugt sind." Die zusammengetragenen Informationen
werden in der Geschäftsstelle des Werksvereins für die mittel- und
langfristige Planung dokumentiert.
Bei Bayer Leverkusen wird Reschke unter dem Titel ,Kadermanager' geführt.
Dass der 53-Jährige ebenfalls alle zwei Wochen einen seiner Leihspieler
begutachtet, zeigt, welch großen Stellenwert sie für den Klub einnehmen. An
diesem Wochenende etwa schaut sich Reschke die ehemaligen Leverkusener
Jugendspieler Thanos Petsos und Bastian Oczipka an, die mittlerweile bei
ihren Leihvereinen Kaiserslautern und St. Pauli Stammspieler sind.
## "Kein Verschiebebahnhof"
Aber wie weit kann Bayer Leverkusen mit dem System der Leihspieler gehen?
"Eine Quote gibt es nicht. Wir werden uns quantitativ auf keine bestimmte
Grenze festlegen", sagt Michael Reschke. Bislang sei es kein Problem, den
Überblick zu bewahren. Aber so sehr das Konzept auch durchdacht sei, bleibe
jede Ausleihe eine Einzelentscheidung. "Der Spieler muss zustimmen. Das
hier ist kein Verschiebebahnhof", betont Reschke.
Beliebig weit ausdehnen lässt sich das Verleihgeschäft schon deshalb nicht,
weil andere Bundesligavereine dem Beispiel von Bayer Leverkusen folgen
dürften. Der Hamburger SV hat bereits für fünf seiner Nachwuchsspieler bei
Zweitligisten einen Zeitvertrag organisiert. Zudem müssen die an Ausleihen
interessierten Vereine auf ihre Handlungsfähigkeit achten. "Wenn wir
Spieler ohne Kaufoption ausleihen, können wir dies nur in begrenztem Maße
tun, da die Werthaltigkeit des Kaders in die Bilanzen mit einfließt", sagt
Martin Bader, Manager vom 1. FC Nürnberg. "Mehr als sechs Ausleihen wäre
dann schon schwierig."
Grundsätzlich aber halte Bader die Ausleihe für ein probates Mittel, um den
Kadern finanzschwächerer Vereine Qualität zuzuführen. "Wichtig ist, dass
Nürnberg in der Bundesliga bleibt", sagt er. Das garantiere dem Verein die
größten Geldeinnahmen. "Wenn wir dafür Leihspieler benötigen, ist das
wichtiger, als nur auf eigene Spieler zu setzten, um Transfererlöse zu
erzielen."
Die früheren Vorbehalte, dass es den Leihspielern an der Identifikation mit
dem Klub fehle, seien von der Realität überholt. "Breno, der es als
Bayern-Spieler in Nürnberg eigentlich nicht leicht hat, war bei uns
vergangene Saison der Publikumsliebling." Und der vom Hamburger SV
geliehene Eric Choupo-Moting wäre bei den Relegationsspielen gegen Augsburg
einer der entscheidenden Spieler gewesen im erfolgreichen Kampf um den
Klassenerhalt.
Bader glaubt, dass die Charakterschulung in den Nachwuchszentren der
Bundesliga wesentlich dazu beigetragen hat, dass die kleinen Vereine
vermehrt auf das Instrument der Ausleihe setzen. Heute würden sich die
jungen Spieler nicht zurücknehmen, wenn der Vertrag sowieso ausläuft.
## Das Yin und Yang des Fußballs
Hört man Bader und Reschke über das harmonische Geben und Nehmen des
Leihgeschäfts reden, über die Win-win-Situation für alle, trotz der
gegensätzlichen Ausgangspositionen, dann wirkt es so, als sprächen sie über
das Yin und Yang des Fußballs.
Aber natürlich gibt es Interessenkonflikte, bei denen sich der Stärkere
ohne viel Federlesens durchsetzt. Als der Leverkusener Stefan Reinartz
erstmals beim 1. FC Nürnberg seine außergewöhnlichen Qualitäten unter
Beweis stellen konnte, wollte der Klub ihn nach dem Aufstieg unbedingt
halten. Und Reinartz selbst wollte unbedingt im Frankenland bleiben, weil
er fürchtete, sein Stammverein plane ihn nur als Ersatzmann ein.
Doch Leverkusen beharrte auf seine Rückkehr. "Das war bitter für uns",
räumt Bader ein. Michael Reschke wiederum verweist auf den glücklichen
Ausgang der Geschichte. Reinartz setzte sich bei Leverkusen durch und wurde
Nationalspieler. An Weihnachten, erzählt Reschke, habe er eine SMS von
Reinartz bekommen, die den Tenor gehabt habe: "Danke, dass Sie mich zu
meinem Glück gezwungen haben."
21 Jan 2011
## AUTOREN
Johannes Kopp
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