# taz.de -- Leverkusen sieht sich als Titelanwärter: Giftpfeile aus dem Rheinl… | |
> Das Remis zwischen Bayer und den Bayern hilft keinem der beiden Teams | |
> weiter. Doch zumindest Leverkusen sieht sich nun als Verfolger Nr. 1 im | |
> Meisterschaftskampf. | |
Bild: Ein Spiegelbild der Tabelle: München (hier: Müller) verfolgt Leverkusen… | |
LEVERKUSEN taz | Simon Rolfes war noch ein Teenager, als Bayer Leverkusen | |
zwischen 1996 und 2002 vier Bundesligaspielzeiten auf dem zweiten Platz | |
beendete, doch natürlich trägt auch er das Vizekusen-Trauma tief in seinem | |
Herzen. Niemand in Leverkusen kann sich dem entziehen, erst recht nicht der | |
Kapitän. | |
Doch Rolfes ist der Erste, der versucht, die Geschichte umzudrehen. Nach | |
dem 1:1 gegen Bayern München formulierte er eine hinterlistige Botschaft an | |
Borussia Dortmund. "Die haben so einen großen Vorsprung, dass sie enorm | |
unter Druck stehen", sagte der Mittelfeldspieler, "wenn die mit diesem | |
Abstand nicht mehr Meister werden, dann werden sie nie mehr Meister." | |
Rolfes will Unruhe stiften, das ist eindeutig. Neun Punkte liegen sie | |
hinter dem BVB zurück, doch weil niemand sich vorstellen kann, dass Mainz, | |
der Zweite, Meister wird, begreift die Werkself sich als erster Verfolger. | |
"Wir haben letztes Jahr erfahren, wie es ist, lange vorne zu stehen", sagte | |
Torhüter René Adler, "das muss man erst mal konsequent zu Ende spielen". Im | |
Vorjahr standen die Leverkusener 23 Spieltage an der Spitze und sind dann | |
eingebrochen. Offenbar bauen sie darauf, dass die Favoritenrolle für die | |
jungen Dortmunder irgendwann zur Zentnerlast werden wird. | |
Nirgends kennt man dieses Phänomen besser als in Leverkusen, und wenn diese | |
bitteren Erfahrungen schon nicht dabei helfen, eigene Abstürze zu | |
verhindern, dann sind sie vielleicht wenigstens in der Verfolgerrolle | |
brauchbar. Dennoch war es erstaunlich, dass nicht die Bayern das Gift für | |
die Köpfe nach Dortmund übermittelten, denn normalerweise gehört diese Form | |
der Kriegsführung zum Standardrepertoire des Rekordmeisters. | |
Doch der ist in diesem Herbst so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass | |
offenbar keine Kapazitäten für derartige Spielereien vorhanden sind. | |
Außerdem erscheint der Dortmunder Vorsprung (gigantische 14 Punkte) auf den | |
FC Bayern tatsächlich zu gewaltig für eine Aufholjagd. "Von der | |
Meisterschaft brauchen wir bei dem Abstand nicht zu reden", sagte | |
Sportdirektor Christian Nerlinger, "wir müssen uns stabilisieren und dann | |
Platz zwei oder drei anvisieren". | |
Nerlinger ist ein Realist, denn nicht nur die 14 Punkte sprechen im | |
Meisterschaftsrennen eindeutig gegen Bayern München, auch die Schwächen | |
dieser Mannschaft stehen in einem krassen Widerspruch zum Projekt | |
Titelverteidigung. Besonders die Innenverteidigung, die in Leverkusen von | |
Breno und Daniel van Buyten gebildet wurde, ist einfach nicht stabil zu | |
bekommen. Vor dem Leverkusener Elfmetertor (Arturo Vidal, 45.) dilettierte | |
van Buyten mit einem stümperhaften Querschläger. Und wäre die Leverkusener | |
Offensive ein bisschen aggressiver auf Breno losgegangen, der in der | |
Schlussphase massive körperliche Probleme hatte, dann hätten sie diese | |
ausgeglichene Partie wahrscheinlich sogar gewonnen. | |
Richtig gut war bei den Bayern mal wieder nur Bastian Schweinsteiger, und | |
der formulierte am Ende des Abends auch das bittere Resümee der ersten 13 | |
Spieltage. "Wir haben schon viele Punkte durch einfache Fehler und | |
Unkonzentriertheiten liegen lassen, die Tabelle sagt letztendlich schon die | |
Wahrheit", meinte der Nationalspieler, der mit einem wunderbaren Heber den | |
Führungstreffer von Mario Gomez aufgelegt hatte (34.). | |
Schweinsteiger hatte sogar noch ein reguläres Tor erzielt (2.), es wäre | |
nach zahllosen Kopfbällen an Latte und Pfosten sein erster echter | |
Kopfballtreffer in der Bundesliga gewesen. Doch solche Geschenke hält der | |
Alltag derzeit nicht bereit für die Bayern, die Schiedsrichter entschieden | |
auf Abseits. | |
Und das ist auch deshalb bitter, weil Bayer ein direkter Konkurrent im | |
Kampf um die Champions-League-Teilnahme ist und den Fünf-Punkte-Vorsprung | |
auf den Meister halten konnte. In der Rückrunde könnte die Werkself dann | |
noch ein ganzes Stück stärker werden, "dann kommen Michael Ballack und | |
Stefan Kießling wieder dazu", sagte Heynckes, in der Tat spielen die | |
Leverkusener derzeit ebenso wenig am Limit wie der FC Bayern. Simon Rolfes | |
weiß jedenfalls, was er tut, zwar würden sie es nie so deutlich sagen: Doch | |
wie Borussia Dortmund betrachten die Leverkusener dieses Jahr als große | |
Gelegenheit, am Ende eine Meisterschaft feiern zu dürfen. | |
22 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Daniel Theweleit | |
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