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# taz.de -- Protest gegen BBI-Fluglärm: Wut im Anflug
> Rund 12.000 BürgerInnen protestieren in Schönefeld gegen Flughafen und
> Flugrouten. Friedlich und geordnet, aber hart in der Sache - ein
> Musterbeispiel bürgerlichen Protests.
Bild: Klare Ansage der Flugroutengegner: Demo am Schönefelder Airport
BERLIN taz | Der Polizist ist zufrieden. "So wünscht man sich eine Demo",
sagt er und schaut auf den voll besetzten Rasen vor dem Schönefelder
Terminal D. "Friedlich, alles geordnet, nur ein bisschen kalt ist es." Der
Einsatzbeamte stellt sich näher an seine Kollegen; einer erzählt einen
Witz, die anderen lachen.
Zwei angemeldete Großdemonstrationen am selben Ort, zeitlich kaum versetzt,
gegnerische Gruppen, 12.000 Teilnehmer - überall anders in Berlin
versprechen solche Ankündigungen Stress und Krawall. Nicht aber, wenn die
Flugroutengegner zum Protest aufrufen: Die Großdemo vor dem Flughafen
Schönefeld am Sonntag ist ein Musterbeispiel bürgerlichen Protests. Absolut
geordnet, friedlich - und unnachgiebig in der Sache.
Das fängt am Bahnhof Schönefeld an. Wer von S-Bahn oder Zug kommt, wird an
der Treppe von Ordnern in knallgelben Leibchen in Empfang genommen, auf dem
Rücken steht die jeweilige Bürgerinitiative. Bis zum Treffpunkt, einem
weiträumig abgesperrten Platz vor dem Terminal, warten alle paar Meter
weitere Leibchenträger auf Demonstranten. Zu Beginn der Kundgebung bittet
ein Sprecher darum, den Müll wieder mitzunehmen. Und darum, im
Flughafengebäude keine Transparente zu zeigen.
Dann geht es los, eine Rede jagt die nächste, von Täuschung und Betrug ist
die Rede, die Wut ist spürbar. "Wir werden den Protest erst einstellen,
wenn sicher ist, dass über unseren Köpfen keine Flugzeuge fliegen", sagt
der Sprecher des Bündnisses Berlin Brandenburg gegen neue Flugrouten,
Markus Peichl.
"Wir waren immer gegen den Ausbau von Schönefeld. Aber das jetzt treibt uns
zum ersten Mal auf die Straße", sagt Renate Riegel. Sie hat zeit ihres
Lebens in Teltow gewohnt. Mit dem Fluglärm hat sie sich abgefunden, nicht
aber mit dem Gefühl, von den Politikern hinters Licht geführt worden zu
sein. "Diese Lügen, diese Schreiben, die nun plötzlich auftauchen - es
reicht." Riegel trägt einen Skianzug, "man weiß ja nicht, wie kalt es
wird". Andere haben Thermoskannen dabei; ein Brezelverkäufer macht gute
Geschäfte; fast jeder Teilnehmer trägt ein Plakat, auf dem die "Rückkehr zu
den alten Routen" gefordert wird.
Jan versucht sich an gleich zwei Plakaten. Die Papptafeln überragen den
Sechsjährigen um ein Vielfaches. Während sein Vater und sein Bruder Pommes
essen, balanciert der Knirps beide Schilder aus. "Die haben wir bei der
letzten Demo gekauft", erzählt Jan. 6 Euro pro Stück. Die Familie kommt aus
Werder. "Wir fürchten, dass unser Ort im Getöse der ganzen anderen
Bürgerinitiativen untergeht, deswegen sind wir hier", sagt Vater Ulf
Schrader.
Eineinhalb Stunden zuvor hatte bereits der Bürgerverein Berlin Brandenburg
(BVBB) zu einer Demonstration aufgerufen. Er will einen Baustopp für den
Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) - eine Forderung, von der
sich die Mehrheit der anderen Initiativen distanziert. Dabei sei es
inhaltlich richtig, nur leider unrealistisch, sagt der Werderaner Schrader.
Zwischen den Gruppen ist es deshalb zum Bruch gekommen; am Rand des ersten
Protestzugs drückt eine Frau ihre Enttäuschung aus: "Die laufen da alle an
uns vorbei mit ihren Plakaten, dabei könnten sie sich doch mit uns
solidarisieren." Der BVBB hat seit Jahren gegen den BBI geklagt, auf
Missstände hingewiesen - oft ohne Gehör zu finden. Das hat die Mitstreiter
verbittert.
Auch Bündnissprecher Peichl zählt zu den Neuprotestlern. Er hat die
Flughafengegner jahrelang nicht beachtet, er ist ebenso wie zehntausende
Berliner erst mit dem Bekanntwerden der Routenpläne im September
aufgewacht. Peichl richtet seine Worte an den BVBB. "Ich verstehe Ihren
Zorn und Ihre Wut darüber, dass keiner an Ihrer Seite gestanden hat." Der
Potsdamer zollt dem Bürgerverein Respekt für den langjährigen Protest. Und
er ruft dazu auf, "trotz aller Differenzen" gemeinsam weiterzumachen: eine
so nicht zu erwartende Versöhnungsgeste. Die Menge applaudiert und pfeift.
24 Jan 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
## TAGS
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
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