# taz.de -- Lahmes Jobwunder BBI: Wo Arbeit wichtiger ist als Lärm | |
> Der Boom in Schönefeld lässt auf sich warten. Vom im Bau befindlichen | |
> Großflughafen BBI profitiert derzeit vor allem der Mittelstand: Metzger, | |
> Bäcker und Parkplatzvermieter. | |
Bild: Soll für ordentlich Arbeitsplätze sorgen: Baustelle BBI. | |
In der Schönefelder Bäckerei Wolter herrscht zur Mittagszeit Hochbetrieb. | |
Bauarbeiter drängen in den kleinen Verkaufsraum direkt an der Straße zum | |
Flughafen. Die Männer haben Hunger, sie wollen belegte Brötchen, Kuchen, | |
Kaffee. An einem Fenstertischchen sitzen gedrängt zwei Reisende, über deren | |
Koffer an der Eingangstür ständig Kunden stolpern. "Keine Zeit zum Reden, | |
kommen Sie ein andermal", wimmelt die Bäckersfrau Fragen ab. "Sie sehen | |
doch, was hier los ist." | |
Zwei Jahre gehe das nun schon so, fügt sie hinzu. Die Baustellen am | |
Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) bescheren dem | |
Familienunternehmen enorme Umsatzzuwächse. Anderen Handwerksbetrieben und | |
Dienstleistern in Schönefeld geht es genauso. Sie sind die wahren Gewinner | |
in der Flughafengemeinde Schönefeld mit ihren verstreut liegenden | |
Ortsteilen - während von den zigtausend versprochenen neuen, flughafennahen | |
Jobs bislang wenig zu sehen ist. Die Gewerbegebiete rund um den künftigen | |
Hauptstadtairport liegen weitgehend brach, Vermarkter und Politiker | |
verlieren sich in Allgemeinplätzen. Dazu gehört der stete Verweis auf die | |
angebliche Faustformel, wonach eine Million Reisende statistisch gesehen | |
1.000 direkte und 1.700 indirekte Jobs schaffe. Insgesamt soll der BBI laut | |
Flughafengesellschaft der Region 73.000 Arbeitsplätze bescheren. Wo und | |
wann die entstehen sollen, weiß noch keiner. | |
Der Flughafen öffnet schließlich erst im Juni 2012. "Auf den Flächen im | |
direkten Umfeld müssen die Projekte erst einmal aus dem Boden kommen", | |
bekennt der Leiter des Airport-Region-Teams der brandenburgischen | |
Wirtschaftsförderung ZAB, Klaus-Peter Heinrich. Eine schöne Umschreibung | |
für: Es passiert noch nicht viel. In Businessparks wie dem 10 Hektar großen | |
"Gatelands" wollten ansiedlungswillige Firmen Vorleistungen sehen, | |
Infrastruktur, Modellbauten, erklärt Heinrich. Damit seien die | |
Projektentwickler gerade beschäftigt. "Gatelands" schließt direkt | |
nordöstlich an den Flughafen an. | |
Laut dem Schönefelder Bürgermeister Udo Haase wartet die Gemeinde noch auf | |
den Boom. "Der Flughafen wird uns sehr freuen", sagt er auf die Frage nach | |
konkret verwirklichten Projekten. Er sei in München und Frankfurt am Main | |
gewesen und habe gesehen, wie die Flughafenregionen dort florierten. "Ich | |
sehe da durchaus Parallelen." Zur BBI-Eröffnung drängten Cateringfirmen, | |
Zulieferer, Reinigungspersonal ins direkte Umfeld, Flughafengesellschaften | |
hätten ihr Interesse an der Gegend bekundet, so der Bürgermeister. Zahlen | |
und Zeiten bleibt Haase schuldig, sagt aber: "Wir rechnen mit riesigen | |
Gewerbeansiedlungen." | |
Auf die wartet auch Metzger Andreas Palm. "Irgendwann muss die | |
Infrastruktur von Tegel ja rüberwandern", sagt der Juniorchef des | |
Familienbetriebs direkt neben der Bäckerei. Genug zu tun hat er, aber er | |
denkt bereits an die Zeit, wenn die bis zu 3.000 Bauarbeiter ihr Werk | |
vollendet haben und das Imbissangebot am Flughafen selbst aufgestockt ist. | |
In Palms schlichtem Ladenraum stehen drei Bistrotische, es gibt Leberkäse, | |
deftige Fleischportionen mit Kartoffelsalat, Eintopf. Letzteren auch | |
eingefroren zum Mitnehmen. Die Metzgerei richtet ihre Öffnungszeiten nach | |
der Kundschaft aus: Morgens um halb sechs warten die Taxifahrer auf ihr | |
Frühstück. Wie bei Bäcker Wolter hat das Geschäft mit den Wurstwaren in den | |
letzten zwei Jahren richtig angezogen, seit mit Nachdruck gebaut wird. Den | |
meisten Umsatz macht Andreas Palm mit seinem Party-Service, | |
Weihnachtsfeiern für die Firmen und Hotels. Langfristig hofft er auf den | |
Regierungsflughafen, der in die alten Schönefelder Terminalgebäude ziehen | |
soll. Sie liegen deutlich näher zur Metzgerei als der neue BBI. | |
Der Bäcker und der Fleischer zwischen Autobahn, Flughafen und Potsdam sind | |
typische Straßenbetriebe: Dass die Überfahrt von der Gegenfahrbahn direkt | |
vor dem Geschäft erhalten blieb, sei für ihn existenziell gewesen, erzählt | |
Juniorchef Palm. "Was glauben Sie, was wir Kunden verlieren, wenn die | |
Autofahrer aus Richtung Potsdam nicht mehr wenden können!" | |
Ein Grundstück neben seinem Betrieb hat der Fleischer an den | |
Kleinunternehmer schräg gegenüber verpachtet - "EKS-Parken", einer der | |
zahlreichen privaten Parkplätze, die in der Gegend aus dem Boden geschossen | |
sind. Sie sind deutlich günstiger als die offiziellen Parkplätze, bewacht | |
und haben Shuttle-Service. Ein Parkplatz am Flughafen selbst kostet | |
mindestens 79 Euro pro Woche, im Parkhaus 109 Euro. Bei der Anmeldung im | |
Büro-Container von "EKS-Parken" sagen Kunden Bescheid, wann sie | |
zurückkommen. Ein Mitarbeiter notiert die Ankunftszeit des Flugzeugs, ein | |
Pendelbus holt die Parkgäste ab. Bei EKS kostet ein Tag 10 Euro, drei Tage | |
20 Euro, jeder weitere 3 Euro. Wer sein Auto auf den Stellflächen der | |
Tankstelle an der Ortsausfahrt parkt, zahlt für die ganze Woche nur 19,90 | |
Euro. Für einen Tag sind 8 Euro fällig, für jeden weiteren 4. Dafür bietet | |
die Tankstelle mit 20 Stellplätzen aber keinen Shuttleservice, Reisende | |
müssen etwa einen halben Kilometer laufen. Die Betreiber der | |
Shuttle-Parkplätze haben offiziell ein Gewerbe angemeldet. | |
Der Eindruck, es handele sich um grassierenden Wildwuchs, täuscht: | |
Betreiber wie "Mc Parking" am Rande des Schönefelder Ortsteils Waßmannsdorf | |
arbeiten seit Jahren in der Branche - von Tegel verlagern sie nach und nach | |
ihre Kapazitäten nach Schönefeld. | |
"Mc Parking" bietet 800 Stellplätze und einen | |
24-Stunden-Wach-und-Shuttle-Service an. Der Betreiber arbeitet mit einem | |
Reisebüro zusammen, viele Gäste kommen aber auch spontan, angelockt von den | |
Aufstellern am Straßenrand. Sie werden von Werner Staffelmaier in einem | |
Container in der Mitte des Parkfeldes empfangen. Unter einem Vorzelt steht | |
ein verwaister Plastiktisch, um den provisorischen Bau pfeift der Wind. | |
Kein gemütlicher Arbeitsplatz, aber der 56-Jährige ist zufrieden. Dank des | |
Jobs als Wächter und Fahrer konnte Staffelmaier in seine Heimat | |
Waßmannsdorf zurückkehren. Jahrelang arbeitete er in Augsburg bei EADS, war | |
zum Pendeln gezwungen. Als er von dem Angebot hörte, bei "Mc Parking" | |
einzusteigen, überlegte er nicht lange. "Natürlich habe ich eine fachlich | |
anspruchsvolle Arbeit als Galvaniseur aufgegeben", sagt Staffelmaier. "Aber | |
dafür bin ich viel ruhiger geworden, ich bin wieder zu Hause." | |
Mit einem späteren Job am Flughafen selbst rechnet er nicht - das seien | |
doch "alles nur Minijobs, was da angeboten wird". Dankbar ist er trotzdem | |
für den BBI. "Bei uns im Dorf werden Sie keinen finden, der sich nicht über | |
den Flughafen freut", prophezeit er. "Arbeit ist wichtiger als Lärm." | |
14 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
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