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# taz.de -- Regierungswechsel im Libanon: Premier von Hisbollahs Gnaden
> Die Schiitenmiliz hat es geschafft, im Parlament eine Mehrheit für ihren
> Kandidaten Najib Mikati zu organisieren. Überall im Land protestieren nun
> sunnitische Muslims dagegen, teils gewalttätig.
Bild: Ein Sunnit protestiert in der Region Akkar im Nordlibanon gegen die Regie…
BEIRUT dapd/afp | Die Hisbollah hat am Dienstag die Mehrheit des
libanesischen Parlaments hinter sich vereint und kann die neue Regierung
bilden. Der Kandidat der militanten Schiitenorganisation für das Amt des
Ministerpräsidenten, Najib Mikati, bekam in Beirut die Zustimmung von 68
Abgeordneten, Amtsinhaber Saad Hariri kam lediglich auf 60.
Unterdessen demonstrierten tausende Sunniten gegen die schiitische
Hisbollah, nachdem laut der englischsprachigen libanesischen Tageszeitung
Daily Star der Abgeordnete Mohammed Kabbara von Hariris Partei, der
"Versöhnungs- und Reformliste", zum "Tag des Zorns" aufgerufen hatte.
Kabbara verurteilte Hisbollahs Vorgehen als "Eingriff in sunnitische
Angelegenheiten". Demonstranten verbrannten Reifen und schwenkten Flaggen,
vereinzelt kam es zu Gewalttaten.
Hariri und sein früherer Verbündeter Mikati sind beide Sunniten. Als
Regierungschef darf nach dem im Libanon geltenden Proporzsystem nur ein
sunnitischer Muslim vereidigt werden. Bisher hatten sich öffentlich 65 der
128 Parlamentsabgeordneten für Mikati als Ministerpräsident ausgesprochen.
Eigentlich verfügte Hariri bislang über eine Mehrheit im Parlament. Doch
seit Mikatis Abgeordnetengruppe und diejenige des Drusenführers Walid
Dschumblatt auf die Seite der Hisbollah überschwenkten, hat sich das
Kräfteverhältnis im Parlament geändert.
Die Hisbollah wird vom Iran und von Syrien unterstützt. Die Gegner der
Schiitenorganisation bauen auf westliche Unterstützung. Sie vertreten den
Standpunkt, dass eine Machtübernahme der Hisbollah zur internationalen
Isolierung des Libanons führen wird.
Sunniten protestierten in verschiedenen Teilen des Landes, vor allem in der
Stadt Tripoli im Norden, in Beirut und entlang der Schnellstraße zwischen
der Hauptstadt und der Hafenstadt Sidon im Süden. Bei der größten
Kundgebung in Tripoli forderten tausende Demonstranten Mikati vor der
Parlamentsabstimmung auf, das Amt des Ministerpräsidenten nicht anzunehmen.
Die Protestler riefen Parolen zur Unterstützung des amtierenden
Regierungschefs Hariri. Einige von ihnen zündeten ein Fahrzeug des Sender
Al Dschasira an.
Auslöser der libanesischen Regierungskrise war der Rückzug von zwölf
Ministern der Hisbollah und ihrer politischen Verbündeten aus dem Kabinett
am 12. Januar. Der Rücktritt von mehr als einem Drittel der Minister führt
automatisch zum Scheitern der Regierung.
Grund für den Rückzug der Hisbollah aus der Regierung war die Weigerung
Hariris, seine Unterstützung für ein UN-Tribunal aufzukündigen, das die
Ermordung seines Vaters Rafik Hariri untersucht. Der damalige
Ministerpräsident war 2005 einem Anschlag zum Opfer gefallen. Beobachter
vermuten, dass die UN-Ermittler Anklage gegen Hisbollah-Mitglieder erheben
werden, die in das Attentat verstrickt sein sollen. Die
Schiitenorganisation bestreitet jede Schuld.
Die Hisbollah kann nun entweder eine eigene Regierung formen und Hariri und
seine Verbündeten in die Opposition schicken. Alternativ könnte die
Schiitenorganisation auch versuchen, Hariri für eine erneute Regierung der
nationalen Einheit zu gewinnen. Hisbollah-Chef Scheik Hassan Nasrallah hat
sich für die zweite Möglichkeit ausgesprochen.
Hariri schließt aber aus, sich an einer von der Hisbollah geführten
Regierung zu beteiligen. Seine Koalition veröffentlichte in der vergangenen
Woche eine Erklärung, in der sie der Hisbollah vorwirft, den Libanon in
eine "iranische Basis" verwandeln zu wollen und dazu ihre Gegner
einzuschüchtern. Die Hisbollah hingegen betont, dass sie das Scheitern der
Regierung auf demokratischem Weg erreicht und auf Gewalt verzichtet habe.
Mikati, ein 55-jähriger Millionär und Telekommunikationsunternehmer aus
Tripoli rief am Dienstag zur Beruhigung der Lage auf. Er wolle
Ministerpräsident aller Libanesen sein. "Das ist ein demokratischer
Prozess", sagte er zu Journalisten. "Ich will mein Land befreien." Er rief
Hariri dazu auf, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Die USA haben seit 2006 Militärhilfen in Höhe von 720 Millionen Dollar
(rund 530 Millionen Euro) an den Libanon gezahlt, um das Land auf einen
westlichen Kurs zu bringen. Wenn die Hisbollah eine führende Rolle in der
Regierung bekäme, wäre eine weitere Unterstützung problematisch, sagte ein
Sprecher des US-Außenministeriums am Montag. Washington betrachtet die
Hisbollah als Terrororganisation.
25 Jan 2011
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