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# taz.de -- Freitagscasino: Mein Kapital gehört mir
> Die Abgeltungssteuer und andere Geschenke: die Regierungen kümmern sich
> gut um Unternehmer und Besserverdienende. Wie ungerecht ist das wirklich?
Für alles gibt es eine Umfrage, also auch diese: Selbst Führungskräfte und
"Entscheider" sind häufig überfordert, wenn sie die Steueranlage KAP
ausfüllen sollen. Das dürfte alle Nichtmanager trösten, die ihre
Steuererklärung ebenfalls nicht verstehen.
Dabei hat sich die Steuerverwaltung sogar um größtmögliche Transparenz
bemüht: Mit der Steueranlage KAP werden die KAPitalerträge erfasst. Das ist
doch logisch – und klingt nur zufällig nach Stamokap.
Kapitalerträge sind Zinsen, Dividenden und auch Spekulationsgewinne. Seit
2009 genießen sie ein besonderes Privileg: Per "Abgeltungsteuer" müssen nur
noch pauschal 25 Prozent ans Finanzamt abgeführt werden. Zuvor galt auch
für Kapitalerträge eine progressive Besteuerung bis zu maximal 45 Prozent.
Verschwundene Milliarden
Die Abgeltungsteuer ist eine Revolution, denn mit ihr wurde das eherne
Prinzip der "synthetischen Besteuerung" aufgegeben. Früher galt schlicht:
Jedes Einkommen ist gleich zu besteuern – egal ob es Löhne, Mieten, Zinsen,
Dividenden, Unternehmensgewinne oder Einkünfte von Selbstständigen sind.
Doch seit 2009 sind Kapitalbesitzer besser gestellt. Zinsmillionäre haben
nun einen niedrigeren Steuersatz als Normalverdiener, deren Grenzsteuersatz
schnell 35 Prozent erreichen kann.
Diese Begünstigung der Kapitalbesitzer muss zu Verlusten für den Staat
führen. Fragt sich nur noch, wie groß das Milliardengeschenk war? Anfang
dieser Woche kursierten in allen Medien die wildesten Kalkulationen, die
nur ein einziges Ergebnis zeitigten: Man weiß es nicht. Das
Finanzministerium teilte lakonisch mit, es habe bisher "keine Berechnungen"
angestellt.
Da erwacht natürlich der detektivische Ehrgeiz beim Betrachter. Es muss
doch irgendwie möglich sein, sich statistisch diesen "verschwundenen
Milliarden" zu nähern, wie sie prompt in den Medien getauft wurden?
Zudem wurden die Vermögenden ja nicht nur durch die neue Abgeltungsteuer
begünstigt. Im vergangenen Jahrzehnt gab es zahlreiche Steuergeschenke für
Unternehmen und Spitzenverdiener. Jede denkbare Regierungskoalition hat
sich an diesen Reformen beteiligt: Rot-Grün genauso wie Rot-Schwarz und
Schwarz-Gelb. Angeblich erlässt der Bundestag alle drei Tage ein neues
Steuergesetz, aber vielleicht ist das nur ein gut erfundenes Gerücht.
Jedenfalls würde man doch zu gern wissen, wie stark Kapitalbesitzer und
Unternehmer von diesen Dauerreformen profitierten. Eine Berechnung für
einzelne Steuerarten ist jedoch tatsächlich schwierig - wie die
Abgeltungsteuer zeigt. Sie ist in den vergangenen Jahren auch deswegen
gesunken, weil durch die Finanzkrise die Dividenden und Zinsen fielen. Was
also ist Steuergeschenk? Und was Konjunktur?
Kapitalisten zahlen Steuern
Um mit dieser Datenlücke umzugehen, scheint sich ein Ausweg anzubieten: Es
wäre schlicht zu betrachten, wie viel die Unternehmer und Kapitaleigner zum
Steueraufkommen eines Jahres beitragen. Für 2009 ergibt sich dann: Sie
zahlten 90,94 Milliarden Euro an den Fiskus. Neben der Abgeltungsteuer auf
Kapitalerträge waren dies die veranlagte Einkommensteuer, die
Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuer.
90,94 Milliarden Euro sind eine ordentliche Summe. Allerdings war es für
den Staat noch ergiebiger, die abhängig Beschäftigten zur Kasse zu bitten.
Die Lohnsteuer summierte sich auf 135,165 Milliarden Euro. Oder in
Prozenten: Die Angestellten zahlten 59,8 Prozent der Steuern auf Einkommen;
die Unternehmen, Kapitaleigner und Selbstständigen kamen gemeinsam nur auf
40,2 Prozent.
Allerdings ist es noch kein Skandal, dass die Lohnsteuer am meisten
einbringt. Schließlich fließt ein großer Teil des Volkseinkommens an die
Beschäftigten. Gemessen wird dies mit der Lohnquote, die 2009 bei 67,5
Prozent lag. Umgekehrt bedeutet dies: Auf Kapitalerträge, Firmengewinne und
Einkünfte von Selbstständigen entfielen 32,5 Prozent des Volkseinkommens.
Da könnte man gnädig denken: Wenn Kapitaleigner, Unternehmen und
Selbstständige für 32,5 Prozent des Volkseinkommens 40,2 Prozent der
direkten Steuern zahlen - dann sind sie doch wahrhaft großzügig!
Dieser schöne Schein verflüchtigt sich aber, sobald in den Fokus gerät,
dass in Deutschland eigentlich nach Leistungsfähigkeit besteuert werden
soll. Der technische Begriff heißt "Progression". Wer viel hat, soll auch
viel zahlen.
Arme Friseurinnen zählen nicht
An Vielhabern fehlt es nicht in Deutschland, denn das Eigentum und damit
auch die Kapitalerträge sind extrem konzentriert: Die obersten 10 Prozent
besitzen 61 Prozent des Volksvermögens. Unausgewogen ist auch das
Verhältnis bei den Erwerbstätigen: 2009 standen 35,76 Millionen
Arbeitnehmern nur 4,41 Millionen Selbstständige gegenüber. Natürlich zählt
auch eine Friseurin, die einen schlecht laufenden Salon besitzt, zu den
Selbstständigen. Aber dafür sind andere Firmeninhaber umso besser bei
Kasse.
Denn es ist sehr aussagekräftig, dass auf nur 4,4 Millionen Selbstständige
und eine sehr kleine Schicht von Vermögensbesitzern 32,5 Prozent des
Volkseinkommens entfällt. Würde nach Leistungsfähigkeit besteuert - sie
müssten weitaus mehr als nur 40,2 Prozent zu den Einkommen- und
Gewinnsteuern beitragen.
Tja, und was heißt das jetzt in Milliarden? Leider bleibt dies unklar. Die
Steueranlage KAP mag schon so kompliziert sein, dass sie selbst Manager
überfordert - das deutsche Steuerrecht toppt dieses Formular bei weitem.
Deutlich ist daher nur: Kapitaleigner und Selbstständige werden geschont,
die Last liegt bei den Arbeitnehmern.
Es fällt schwer zu glauben, dass die statistischen Lücken zwingend sind.
Sondern sie sind eine politische Waffe. Gefahrlos können die Privilegierten
behaupten, die "Leistungsträger" müssten weiter entlastet werden. Wer das
jüngst gefordert hat? Natürlich ihr oberster Vertreter, FDP-Chef Guido
Westerwelle.
28 Jan 2011
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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