# taz.de -- Geschichte der Hausbesetzungen: Räumung war ein spätes Echo | |
> War es ein Kampf um Freiräume in einer sich ändernden Stadt oder ein | |
> Streit zwischen Eigentümern und Mietern? Die Liebigstraße steht für | |
> beides. | |
Bild: Es war eine Liebesgeschichte. Demonstranten am Mittwoch in Berlin-Friedri… | |
BERLIN taz | Mit der Liebigstraße 14 ist am Mittwoch das letzte besetzte | |
Haus in Berlin geräumt worden - solche Nachrichten, die wieder einmal das | |
Ende einer Bewegung verkündeten, wiederholten sich bisher alle paar Jahre. | |
Korrekt waren sie aber so gut wie nie, denn die Zeit, in der sich junge | |
Menschen einfach in leer stehenden Gebäuden einquartiert haben, ist seit | |
Langem vorbei. | |
Der Polizeieinsatz in Berlin-Friedrichshain war nur ein sehr spätes Echo | |
der letzten großen Hausbesetzerbewegung Anfang der neunziger Jahre im | |
Ostteil von Berlin. | |
In der fast anarchischen Zeit zwischen dem Mauerfall am 9. November 1989 | |
und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 waren im Ostteil der Stadt | |
weit über 120 der damals unzähligen leer stehenden Altbauten besetzt | |
worden. Vielleicht ein Fünftel davon wurde in den folgenden Jahren von der | |
Polizei geräumt. Zuletzt die Pfarrstraße 104, und das war schon im Februar | |
1998. | |
Zwar gab es immer wieder vereinzelt Versuche, weitere Häuser zu besetzen, | |
doch bis auf drei Gruppen, denen es gelang, noch einen Vertrag zu bekommen, | |
wurden in den letzten zwanzig Jahren alle spätestens nach wenigen Tagen | |
wieder vor die Tür gesetzt. | |
Deshalb gibt es in Berlin juristisch gesehen schon längst keine besetzten | |
Häuser mehr. Kulturell aber hat die Szene überlebt. Denn die Bewohner der | |
restlichen gut 100 im Jahr 1990 besetzten Häuser bekamen, teils nach langen | |
Verhandlungen, Verträge. Manche Häuser wurden von Genossenschaften oder | |
Stiftungen gekauft, in einigen bekamen die Bewohnergruppen langjährige | |
Pachtverträge. | |
Die meisten Besetzer aber bekamen von den kommunalen | |
Wohnungsbaugesellschaften, die damals noch fast alle Gebäude in Ostberlin | |
verwalteten, ganz normale Mietverträge. Das entschärfte Anfang der 90er | |
Jahre den Konflikt. Doch heute führt es zur Eskalation. | |
Das beste Beispiel dafür ist die Liebigstraße 14. Hier wechselten im Laufe | |
der Jahre die Bewohner und der Eigentümer, die Verträge aber wurden nie | |
angepasst. Zudem lebten die Menschen dort nicht getrennt in einzelnen | |
Wohnungen, sie nutzen das Haus als riesige Wohngemeinschaft hinter einer | |
zusätzlich eingebauten Tür im Treppenhaus. | |
Das nutzten die neuen Eigentümer. Die ungenehmigte Tür sei ein Verstoß | |
gegen die Mietverträge, argumentierten sie in ihren Räumungsklagen - und | |
bekamen 2009 vor Gericht recht. | |
Rein juristisch gesehen hat die Berliner Polizei am Mittwoch nichts anderes | |
getan, als Mieter, die ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht | |
nachgekommen sind, vor die Tür zu setzen. Deshalb besteht auch die Gefahr, | |
dass es keineswegs die letzte Räumung dieser Art war. | |
In zahlreichen weiteren einst besetzten Häusern ist die rechtliche Lage | |
ähnlich prekär wie in der Liebigstraße 14. Sollten auch deren Eigentümer | |
erfolgreich vor Gericht ziehen, stünden die derzeit legalen Bewohner wieder | |
ohne Vertrag da. Dann wird sich die Meldung von der Räumung des angeblich | |
letzten besetzten Hauses wiederholen. | |
2 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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