# taz.de -- Energieversorgung: Hin und Her um ein Atomkraftwerk | |
> Der Versorger Electrabel plant in Eemshaven an der deutschen Grenze ein | |
> AKW zu bauen - angeblich. Auch ohne das Projekt entstünde dort genug | |
> Kraftwerkskapazität, um ein Drittel der Niederlande zu versorgen. | |
Bild: Reichlich Konfliktstoff, auch ohne neues AKW: Protestaktion am Zaun zur B… | |
HAMBURG taz - Gelassen hat die Bürgerinitiative "Saubere Luft Ostfriesland" | |
auf die Nachricht reagiert, auf der niederländischen Seite der Emsmündung | |
könnte ein Atomkraftwerk gebaut werden. "Das ist Quatsch", sagte Johann | |
Smid vom Vorstand der Bürgerinitiative Ende der Vorwoche der taz. "Das | |
hauen die immer wieder in die Zeitung, um die Akzeptanz für die geplanten | |
Kohlekraftwerke zu erhöhen." In der Tat ist der Bau eines AKW jenseits der | |
Grenze nach Informationen von Emder Kommunalpolitikern auch bereits wieder | |
vom Tisch. | |
Womit indes nicht alle Steine des Anstoßes weg wären: Die Niederlande | |
planen in Eemshaven, 26 Kilometer westlich von Emden auf dem jenseitigen | |
Ufer der Ems, einen ganzen Kraftwerkspark zu errichten, der einmal 30 bis | |
40 Prozent des Strombedarfs der Niederlande decken können soll. Auch ohne | |
ein AKW des Electrabel-Konzerns sind ein Gaskraftwerk von Eemsmond Energie | |
geplant, ein Gas- und Mehrbrennstoffkraftwerk von Nuon, außerdem zwei | |
Kohlekraftwerke von RWE/Essent und Nuon. | |
Die Aktivitäten der Bürgerinitiative richteten sich bisher vor allem gegen | |
die geplanten Kohlekraftwerke. Wegen des vorherrschenden Westwindes würden | |
die Abgase und giftigen Stäube vor allem Richtung Ostfriesland geweht. Die | |
Pläne für zwei Kohlekraftwerke auf der deutschen Seite der Grenze sind | |
bereits zurückgezogen worden: Im emsländischen Dörpen und in Emden wird | |
nicht gebaut. | |
Der Regionalrat Ostfriesland, mit dem die drei Landkreise Aurich, Wittmund | |
und Leer sowie die Stadt Emden stärker nach außen auftreten wollen, hat | |
vergangene Woche beschlossen, eine Delegation nach Groningen zu entsenden. | |
Sie soll den Vertretern der Niederlande die Bedenken der Ostfriesen gegen | |
die geplanten Kohlekraftwerke schildern: Demnach würde das Kraftwerk | |
Stickstoff- und Schwefeloxide, Feinstaub und giftige Stoffe wie Quecksilber | |
in Richtung des Weltnaturerbes Wattenmeer und der ostfriesischen Heilbäder | |
blasen. Für die dicken Kohlefrachter müsste die Fahrrinne der Außenems | |
vertieft werden. Und natürlich würde das Kraftwerk große Mengen CO2 | |
freisetzen. | |
Die Grünen hatten eine Resolution des Regionalrats gegen die | |
Kohlekraftwerke beantragt, geben sich aber vorerst mit Verhandlungen | |
zufrieden. Die Chancen für konstruktive Gespräche stünden zurzeit besonders | |
gut, sagt der Auricher Grünen-Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe. Er hofft, | |
dass eine Vorentscheidung des Europäischen Gerichtshofs Bewegung in die | |
Debatte bringt: Der EuGH befand die Umweltgenehmigung für das | |
RWE-Kohlekraftwerk im Dezember für unzulässig. | |
Die Möglichkeit, statt der Kohlekraftwerke könnte in Eeemshaven ein | |
Atomkraftwerk gebaut werden, schreckt Hoppe kaum: Seinen Informationen | |
zufolge würde die niederländische Regierung ein solches, wenn überhaupt, am | |
Standort Boerssel in der Provinz Zeeland errichten, sagt der Abgeordnete. | |
Dort gebe es bereits ein AKW - und keinen Widerstand aus der Bevölkerung. | |
Im niederländischen Parlament gibt es seit dem Rechtsruck bei den Wahlen | |
2010 eine Mehrheit für den Bau neuer Atommeiler. Drei Standorte kommen | |
dafür grundsätzlich in Frage: Boerssel, Rotterdam und Eemshaven. Nach | |
Einschätzung der Zeitung Het Financieele Dagblad ist Boerssel als Standort | |
am wahrscheinlichsten, Rotterdam könne ausgeschlossen werden. In Eemshaven | |
verfüge Electrabel über ausreichend Platz, schreibt das Blatt weiter, zudem | |
habe der Konzern Interesse daran bekundet, ein Atomkraftwerk in den | |
Niederlanden zu bauen. | |
Die Zeitung zitiert den Vorsitzenden der niederländischen Sozialdemokraten, | |
William Moorlag. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Electrabel hierüber mit | |
der Provinz Groningen sprechen will", habe Moorlag unter Berufung auf ein | |
Gespräch mit Vertretern des Energieversorgers gesagt. Ein | |
Electrabel-Sprecher bestritt aber konkrete Pläne. | |
Initiativen-Vorstand Smid bezeichnete die Pläne in Eemshaaven denn auch als | |
"Gespenst", das immer wieder beschworen werde. Harm Post, Direktor von | |
Groningen Seaports, habe ihm glaubhaft versichert, ein Atomkraftwerk werde, | |
wenn überhaupt, nur in Boerssel gebaut. | |
Smid bedauert, dass der Regionalrat die von den Grünen beantragte | |
Resolution nicht beschlossen hat. "Haben Wirtschaftsinteressen immer noch | |
Vorrang vor den berechtigten Interessen und Sorgen der Bevölkerung und der | |
Wähler?", fragt er. | |
6 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Umweltschutz | |
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