| # taz.de -- Weltsozialforum im Senegal: Chaos auf dem WSF | |
| > Nur ein Bruchteil der über 1.200 Veranstaltungen des Weltsozialforums in | |
| > Dakar findet wie geplant statt. Denn es gibt schlicht nicht genug Räume. | |
| Bild: Gefasst und geordnet: Besucher des Weltsozialforums in Dakar. | |
| DAKAR taz | Spitou Mendy ist genervt. Heute ist Tag zwei des | |
| Weltsozialforums, der Afrika-Tag. Und eigentlich sollte am Mittag der | |
| Workshop starten, auf dem über die Forderung nach Bewegungsfreiheit für | |
| afrikanische Arbeitsmigranten debattiert wird. Doch statt dessen irrt | |
| Mendy, dem es gelang, die papierlosen afrikanischen Landarbeiter auf | |
| Andalusiens Gemüseplantagen in der Gewerkschaft SOC-SAT zu organisieren, | |
| über das Gelände der Universität Cheikh Anta Diop. | |
| Wie ihm geht es vielen in diesen Tagen, denn das Forum hat vor allem eines: | |
| Weniger Platz als gedacht. Zwar hatte die Universitätsleitung dem | |
| Organisationskommittee genügend Räume zugesagt. Doch wegen eines Streiks | |
| der Studenten verlängerte sich deren Semester. Und die jetzt noch laufenden | |
| Lehrveranstaltungen verdrängten etliche der Workshops. | |
| Bis zum Beginn des WSF vermochten die Organisatoren dem Problem nicht Herr | |
| zu werden. Jeden Abend laden sie nun eine – oft lückenhafte – riesige | |
| Excel-Tabelle ins Internet. Dort vermag sich einen leidlich aktuellen | |
| Überblick zu verschaffen, wem es gelingt, einen Internetanschluss zu | |
| finden. Doch die sind auf dem Gelände überaus rar. Und viele der | |
| afrikanischen Teilnehmer sind nicht unbedingt mit Computern vertraut. | |
| Die Wände und Säulen auf dem Gelände sind übersät mit Zetteln, auf denen | |
| die entnervten Veranstalter mit Filzstiften in Englisch und Französisch | |
| notiert haben, wo ihre Debatte zur Unabhängigkeit der Westsahara nun läuft | |
| oder wo das französische Netzwerk zur Entschuldung der Dritten Welt seine | |
| Forderungen präsentiert. Die wenigen "offiziellen" Aushänge zum Programm | |
| sind übervoll mit handschriftlichen Korrekturen, vor ihnen bilden sich | |
| Menschentrauben, viele blicken nicht durch. Einen offiziellen Anlaufpunkt | |
| gibt es nicht. | |
| Stattdessen stehen überall Freiwillige in gelben T-Shirts herum. Doch | |
| helfen können sie nicht. Auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Auftritts des | |
| venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zücken sie sehr hifsbereit ihr | |
| Exemplar der überaus raren, aber restlos veralteten Programmzeitung und | |
| beginnen, die 16 Seiten Zeile für Zeile zu durchsuchen. Chávez steht aber | |
| nicht drin. | |
| Viele Veranstalter wissen teils unmittelbar vor Beginn ihrer Panels nicht, | |
| wo diese stattfinden sollen. Das gilt selbst für Organisationen, die für | |
| viel Geld aus anderen Ländern Referenten eingeflogen haben. Jürgen Reichelt | |
| vom Evangelischen Entwicklunsgdienst etwa musste seinen runden Tisch zur | |
| Migrationspolitik am Dienstag ausfallen lassen. Obwohl er sogar Mitglied im | |
| Internationalen Rat des WSF ist, scheiterten seine Bemühungen um einen Raum | |
| vorerst. "Das einzige, was die Helfer mir sagen konnten, war: 'Ich schreibe | |
| das jetzt mal auf'." | |
| Dabei haben die Organisationen für ihre Präsenz auf dem WSF bezahlt. Wer es | |
| sich noch leisten kann, mietet sich, wie beispielsweise die Grünen, bei | |
| Kirchengemeinden oder Verbänden außerhalb des Campus Räume an. Doch dann | |
| bleiben viele ZuhörerInnen oft fern – auf die Schnelle lassen sich die | |
| neuen Örtlichkeiten kaum bekannt machen. Glücklich schätzen können sich | |
| Einrichtungen wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung oder das Goethe-Institut, die | |
| ihre Debatten von vornherein in ihren eigenen Räumlichkeiten angesetzt | |
| haben. | |
| Planlosigkeit herrscht auch in der Presselounge im obersten Stockwerk der | |
| Bibliothek. "Hast Du irgendwas gehört?" ist hier die meistgestellte Frage. | |
| "Das hier ist noch viel schlechter als das WSF 2007 in Nairobi | |
| organisiert", sagt ein spanischer Reporter, als mal wieder das W-Lan | |
| ausfällt. "Und das war doppelt so groß." | |
| 9 Feb 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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